Honigtot (German Edition)
einäugige Gestapo-Mann hat sie noch in derselben Nacht aus dem Krankenhaus geholt. Was sollte das? Warum hat er das getan? Marlene ist doch schwer verletzt.“
„Woher weißt du, dass er von der Gestapo war?“ Es lag etwas Lauerndes in Albrechts Frage.
„Der Arzt im Krankenhaus hat es erwähnt. Woher kennst du ihn? Und was wollte er von mir? Er hat mir Angst gemacht“, sagte Deborah und musste dabei ihre Angst nicht spielen.
„Ich sagte doch, wir reden über alles morgen. Und jetzt gib Ruhe und schlaf. Ich komme gleich.“
Auch am nächsten Morgen hielt Albrecht Deborah weiter hin. Er wälzte sich auf sie und befriedigte sich zunächst hemmungslos an ihr.
Deborah ahnte, dass er sie absichtlich auf die Folter spannte. Erst nach einem ausgiebigen Frühstück, das sie sich auf die Suite bestellt hatten, war er bereit, über Marlene zu sprechen. „Sie ist eine jüdische Spionin. Ihr Name ist Anna von Dürkheim. Ihre Mutter war Jüdin und als Dienstmädchen bei den von Dürkheims angestellt. Sie hat den Sohn des Hauses verführt. Greiff hatte Marlene alias Anna schon einmal wegen staatsfeindlicher Umtriebe in Berlin in Gewahrsam. Sie hat Juden versteckt und geholfen, sie aus der Stadt zu schmuggeln. Er hat sie wiedererkannt. Der arme Ernst, ich fürchte, er erlebt gerade keine vergnüglichen Stunden. Greiff hat ihn in der Mangel.“
„Marlene, eine jüdische Spionin? Aber das ist völlig verrückt, Albrecht. Sie wurde bei dem Anschlag doch selbst fast getötet! Das allein beweist, dass sie damit nicht das Geringste zu tun haben kann!“, rief Deborah.
„Nein, das zeigt höchstens, wie unorganisiert und unkoordiniert der polnische Widerstand vorgeht. Ein selten dämlicher Haufen, der sogar seine eigenen Leute umbringt“, sagte Albrecht verächtlich.
„Trotzdem, Albrecht, ihr liegt falsch. Glaub mir, dieser Greiff ist ein Wahnsinniger, schon wie der mich behandelt hat! Der sieht doch Spione hinter jeder Ecke.“ Deborah musste ihre Entrüstung nicht spielen. „Du musst sofort etwas für Marlene tun! Sprich mit Greiff und sag ihm, dass er sich irrt. Wo ist Marlene überhaupt, weißt du, wie es ihr geht? Kann ich sie sehen?“
„Sie ist da, wo sie hingehört, im Montalupych-Gefängnis. Wie es ihr geht? Nun, da sie bisher nicht gestanden hat, was Greiff wissen will, nicht besonders, fürchte ich. Aber es ging ihr ja schon vorher nicht gut“, fügte Albrecht mit einem gemeinen Grinsen an. „So wie ich das sehe, wird Greiff ihr vermutlich vergeblich zusetzen. Die Kalten ist nicht dumm. Erstens ist ihr Rückgrat gebrochen und zweitens ist ihr bewusst, dass Greiff sie so oder so töten wird. Deine vermeintliche Freundin wird in ihrem Zustand sowieso den Tod herbeisehnen. Aber du könntest ihr vielleicht helfen. Greiff hat sich etwas ausgedacht.“
„Greiff? Was will er von mir?“, fragte Deborah misstrauisch. Allein der Gedanke an diesen Mann löste einen Schauer bei ihr aus.
„Du sollst zu der Kalten gehen und sie aushorchen. Wenn sie dir verrät, wo Heydrichs Attentäter versteckt sind, dann lässt er einen Arzt zu Marlene.“
„Das heißt, du glaubst, dass sie auch etwas mit dem Attentat auf deinen Chef zu tun hat?“, fragte Deborah, während sie blitzschnell überlegte, ob Albrecht ihr eine Falle stellte, weil er sie im Verdacht hatte. Inzwischen wusste sie, dass Reinhard Heydrich bei dem Attentat am 27. Mai zwar schwer verletzt worden war, aber laut seinen Ärzten überleben würde.
„Ich glaube grundsätzlich nichts ohne Beweise. Sturmbannführer von Greiff mag zwar nicht mein bester Freund sein, aber er versteht seine Arbeit und gehört wie ich zur Elite der SS. Wenn einer die Wahrheit herausfinden kann, dann er. Auch ich will wissen, wer die Hintermänner sind. Sprich mit der Frau und finde heraus, was sie weiß.“
Deborah suchte Albrechts Miene zu lesen. Glaubte Albrecht Greiffs Anschuldigung gegen sie? Doch Albrecht sah sie nur unergründlich an. Immerhin bedeutete es, dass sie zu Marlene durfte. Mit ihr konnte sie über Jakobs Verhaftung reden. Vielleicht konnte Marlene ihr sagen, an wen in der Gruppe sie sich wenden konnte. Alles andere war unwichtig. „Gut“, sagte sie jetzt, „ich spreche mit ihr.“
„Braves Mädchen.“ Albrecht warf seine Serviette auf den Tisch und stand auf. „Zieh dich an. Wir können sofort los.“
Die Fahrt in den Krakauer Norden zum Montalupych-Gefängnis verlief schweigend. Als der Wagen vor dem Gebäudekomplex in der Ulica
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