Honigtot (German Edition)
vergewisserte sich, dass diese fest verschlossen war. Dann erst setzte er sich zu ihr. Er zog einige Grimassen und untermalte sie mit verschiedenen Handbewegungen.
Deborah verstand, dass Osman sich erkundigte, wie es ihr ging. „Danke, Osman, mir geht es gut. Nur einige blaue Flecken und eine geschundene Kehle. Nichts Ernstes.“ Deborah beugte sich zu Osman vor und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern herab: „Zunächst muss ich dir danken, dass du die Kamera gerettet und in Sicherheit gebracht hast. Leider ist gestern Nacht etwas Schlimmes passiert. Unser Freund“, Deborah mied absichtlich Jakobs Namen, „wurde verhaftet und Marlene auch. Wenn es irgendetwas gibt, womit man dich mit den beiden in Verbindung bringen kann, dann solltest du sofort von hier verschwinden, um dich zu retten.“ Osman verneinte, indem er bestimmt den Kopf schüttelte.
Ob dies bedeutete, dass es nichts gab, was Greiff auf seine Spur bringen könnte, oder ob er sich schlichtweg weigerte, sie zu verlassen, wusste Deborah nicht zu deuten. Auf jeden Fall war sie erleichtert darüber und drang nicht weiter in Osman.
„Unser Freund hat mir von eurem Plan erzählt, die Originaldokumente zu stehlen. Ich werde dir dabei helfen. Allerdings werde ich es selbst versuchen. Deine Aufgabe ist es dann, sie sicher an den von unserem Freund genannten Bestimmungsort zu bringen. Danach musst du untertauchen. Ich gebe dir dafür alles Geld, das ich auftreiben kann.“
Osman protestierte mit stummen Gesten dagegen. Deborah verstand, dass er das Risiko für sie zu hoch hielt. „Lass das meine Sorge sein, Osman. Versuch in meiner Nähe zu bleiben. Ich werde es dich wissen lassen, sobald ich die Dokumente an mich gebracht habe. Es kann allerdings einige Tage dauern. So, und jetzt bring mich bitte in das Hotel zurück. Ich muss hier raus, sonst werde ich in diesem Krankenhaus tatsächlich noch krank.“
Sie wollte sich erheben und nach der Tasche mit den frischen Kleidern greifen, doch Osman hielt sie zurück. Er zog einen kleinen Brief aus seiner Uniform, den er ihr mit betrübter Geste überreichte. Albrecht unterrichtete sie darin kurz, dass er leider für zwei Tage hatte verreisen müssen, dass aber das Hotelpersonal und Osman die Anweisung hätten, sich um alle ihre Bedürfnisse zu kümmern.
„Verdammt“, entfuhr es Deborah, die ihre Enttäuschung nur mühsam bezähmen konnte. Ausgerechnet jetzt ließ sie Albrecht allein. Wer außer ihm konnte ihr sonst bei den Nachforschungen nach Marlenes Verbleib behilflich sein? Niemals würde sie die zwei Tage in Ungewissheit überstehen können.
Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Vielleicht konnte sie sich an Ernst, Marlenes Offiziers-Freund, wenden? Sie wusste sicher, dass er in Marlene verliebt war und zumindest an Marlenes Unglück Anteil nehmen würde. Vielleicht wusste er sogar, wohin sie gebracht worden war und konnte für sie einen Besuch bei ihrer Freundin erwirken? Deborah konnte das Gefühl plötzlicher Schwäche, das in ihre Beine fuhr, nicht unterdrücken, als sie daran dachte, dass sie dann erneut diesem furchtbaren Greiff begegnen würde.
Verflixt, wohin sie sich auch wandte, taten sich Sackgassen auf und lauerten Gefahren. Ohne Albrecht würde sie nichts in Marlenes Angelegenheit ausrichten können. Tatsächlich hatte sie gar keine andere Wahl, als zu warten. Bis zu seiner Rückkehr waren ihr die Hände gebunden. Dabei war Deborah nicht so naiv zu glauben, dass Albrecht so viel an Marlenes Schicksal liegen würde, dass er ihrer Bitte nachkommen würde, sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Doch er konnte sich wenigstens für sie nach ihr erkundigen.
Gemeinsam mit Osman kehrte sie in das Hotel zurück. Die beiden Tage bis zu Albrechts Rückkehr verliefen quälend langsam. Einem von Natur aus so impulsiven und ungeduldigen Wesen wie Deborah erschien das Warten wie eine grausame Folter. Niemals war ihr die Zeit so zäh erschienen.
Sie vertrieb sich die Stunden mit dem Schmieden von Plänen und dem Entwerfen von Rachefeldzügen gegen Greiff. Völlig rasend machte sie, dass es für sie absolut keine Möglichkeit gab, Jakob zu helfen. Sie war zur Untätigkeit verurteilt. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob er noch lebte! Letztlich konzentrierte sie sich auf ihr vollmundig angekündigtes Vorhaben, wie sie Albrecht das Wannsee-Protokoll entwenden konnte. Das Protokoll war der Schlüssel ihrer Rache. Ohne es wären alle vorangegangenen Opfer jeden Sinns beraubt. Stunde um Stunde schlich
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