Honigtot (German Edition)
von Stetten möchte, dass die Heizungsrohre im gesamten Haus erneuert werden und wünscht, dass Sie heute gleich mit der Bibliothek beginnen. Ich habe in der Küche zu tun. Wenn Sie etwas brauchen“, sie zeigte auf einen eierschalenfarbenen Telefonapparat, der innen neben der Bibliothekstür angebracht war, „hier ist das Haustelefon. Wählen Sie einfach die Nummer 2. Meine Herren.“ Sie nickte ihnen zu und überließ die beiden Fuggas ihrem Schicksal.
Der Hausherr, Heinrich von Stetten, hatte in der Tat nur die mit der Heizungsbaufirma Fugga vereinbarten Arbeiten durchführen lassen wollen, aber die Hausherrin, Frau von Stetten, hatte beschlossen, die einmalige Gelegenheit seiner längeren Geschäftsreise zu nutzen, um die gesamte Anlage zu modernisieren. Frau Gabler, als langjährige Haushälterin der Familie bestens vertraut mit dem dominanten Charakter des Hausherrn, wusste, dass es ein gewaltiges Donnerwetter geben würde, wenn dieser zurückkehrte und die von ihm nicht genehmigten Neuerungen in der Familienvilla entdeckte. Herr von Stetten liebte keine Alleingänge.
Davon ahnten die beiden Fuggas natürlich nichts. Sie stellten ihre schweren Koffer ab und sahen sich gründlich in der Bibliothek um. Wände und Decke waren mit Kassetten aus kostbarem Mahagoni ausgekleidet. Der Raum war circa acht Meter lang, fünf Meter tief und genauso hoch. Ledergebundene Folianten füllten die Regale, die die Wände ringsum bis unter die Decke säumten. Eine Wendeltreppe aus geschmiedetem Eisen führte auf eine Galerie, die nur auf der Fensterseite von zwei Rundbogenfenstern unterbrochen wurde. Zwischen den Fenstern befand sich der antike, mit einem Gitter verkleidete Radiator aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Schritte der beiden Handwerker wurden von einem Perserteppich gedämpft.
In der Ecke unter dem Treppenaufgang führte eine Tür in einen weiteren Raum. Neugierig drückte Fugga der Jüngere die Klinke herab und stellte fest, dass sie verschlossen war. Ratlos inspizierten Vater und Sohn die Bibliothek und wussten, sie saßen in der Tinte. Vater Fugga nahm seine Brille ab und putzte sie umständlich mit einem Taschentuch.
„Tja, mein Sohn. Zu früh gefreut. Da dachten wir, dies wäre ein gut bezahlter und einfacher Auftrag, den wir später als Referenz einsetzen könnten. Pustekuchen. Jetzt müssen wir die Decke aufbohren und unter dem Mahagoni-Gedöns den weiteren Verlauf der Heizungsrohre finden. Was machen wir mit den Büchern? Die sehen alt aus und was alt ist, ist wertvoll. Ich glaube nicht, dass unsere Versicherung zahlt, wenn wir so einen alten Schinken anfassen und er uns unter den Fingern zerbröselt. Ich hole mir besser die Erlaubnis, dass wir die Regale ausräumen dürfen.“ Resigniert schlurfte er zum Hausapparat.
Frau Gabler meinte lapidar, sie könnten die Bücher ruhig auf dem Perser ablegen, Frau von Stetten hätte nichts dagegen.
Also machten sich die beiden Fuggas tatkräftig an die Arbeit. Auftrag war Auftrag und der hatte sich, der Größe des Hauses nach, soeben verfünffacht.
Sie wählten das Regal, das dem Radiator gegenüberlag, davon ausgehend, dass die Heizungsrohre logischerweise nicht im Zickzack über die Decke verliefen. Als sie die ersten Bücher hinter sich aufgestapelt hatten und die Rückwand langsam zum Vorschein kam, stellten sie zu ihrem Entsetzen fest, dass das Regal nicht etwa nach hinten hin zur Mahagonivertäfelung offen war, sondern eine fest verschraubte Rückwand aus noch mehr Mahagoni besaß, die nun auch abgebaut werden musste. Nachdem das geschafft war, wischte sich Fugga der Jüngere mit dem Ärmel seines Arbeitskittels über die feuchte Stirn und meinte: „Ein Glück, dass wir nach Stunden bezahlt werden.“
„Ja, das ist der lukrativste Auftrag seit langem. Aber auch der komplizierteste. Wie sollen wir das bloß in zwei Wochen schaffen?“, seufzte sein Vater, während er wieder mit seiner Brille spielte. „Geh du mal voraus in den Keller", sagte er zu seinem Sohn, "und sieh dir die Heizungsanlage genauer an. Ich mache hier weiter.“
Der Vater legte sein Ohr an die Wand und klopfte die freigelegte Vertäfelung systematisch ab. Dahinter klang es tatsächlich hohl und er suchte einen Ansatzpunkt, wo er das kostbare Mahagoni aufhebeln konnte, ohne es zu beschädigen. Mit seinem flachsten Stemmeisen setzte er in der Ritze zwischen zwei Kassetten an und arbeitete mit größter Achtsamkeit. Dann griff der alte Fugga vorsichtig nach der lockeren Kassette, hob
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