Honigtot (German Edition)
später kam Elisabeth selbst auf ihr Verhalten in der Bibliothek zurück und zwar, nachdem sie Zeuge eines weiteren Gespräches zwischen Gustav und Fritz über Hitlers Aktivitäten geworden war.
Da schämte sie sich für ihr Benehmen. Gustav wiederum, der sich auch ein wenig schämte, so sehr aus der Haut gefahren zu sein und ihr den Umgang mit ihren Freunden verboten zu haben, nahm dies zurück und versicherte ihr, dass sie eine freie Person mit freien Entscheidungen wäre.
Trotzdem sahen sich Helga und Elisabeth daraufhin nur noch sehr selten und die beiden Herren Gustav und Bubi trafen nie mehr aufeinander.
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Aus diesem Grund zögerte Elisabeth, im Jahre 1931 für Bayreuth zuzusagen, obwohl sie die erneute Arbeit mit Maestro Toscanini durchaus lockte. Angeblich hatte sich Adolf Hitler die Festspiele bisher in keinem Jahr entgehen lassen und war auch sonst ein häufiger Gast im Hause Wahnfried.
Erst später sollte Elisabeth begreifen, dass sie das erste Mal eine ihrer Entscheidungen einer bewussten politischen Erwägung unterworfen hatte.
Elisabeth passte also einen gemütlichen Abend zu zweit ab, bis sie das Thema Bayreuth aufs Tapet brachte. Gustav nippte an seinem Cognac, den sie ihm gereicht hatte, und sie setzte sich neben ihn und schmiegte sich an seine Schulter.
Wie zu erwarten gewesen, schien Gustav zunächst keineswegs erbaut hiervon - hatte aber insgeheim längst damit gerechnet. Irgendwann erfolgte der traditionelle Ruf an jede Diva ihrer Zeit in das wagnersche Bayreuth und er konnte und wollte es ihr auch nicht verbieten. Zu sehr rührte ihn die leuchtende Passion in ihren Augen, als sie ihm von den beiden Partien und dem von ihr so sehr geschätzten Maestro Toscanini erzählte. In Gedanken war sie bereits die Isolde, ging die Partitur, die Posen und die Szenen durch.
Elisabeth fuhr nach Bayreuth und feierte abermals Triumphe. Auf dem Empfang nach der Premiere präsentierte ihr Frau Winifred Wagner dann mit einer Art Besitzerstolz den Herrn Adolf Hitler.
Dieser zeigte sich absolut hingerissen von der schönen Künstlerin, die er endlich persönlich kennenlernen durfte. Er warf die gesamte Palette seiner österreichischen Galanterie ins Feld und schmachtete sie mit blauen Augen an.
Und Elisabeth musste anerkennen, dass er dabei ein unerwartet ` charmantes Benehmen ´ an den Tag legte. Dennoch hatte sie in seiner Gegenwart ein unwohles Gefühl überkommen. Sie war daher froh, dass es bei dieser einen kurzen Begegnung geblieben war. Gustav erzählte sie lieber gar nicht erst davon, er würde sich nur allzu sehr erregen und er fragte auch nicht nach.
Sie waren jetzt mehr als acht Jahre verheiratet und kannten ihre Empfindlichkeiten.
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Im Frühjahr 1932 erhielt Elisabeth erneut eine Einladung nach Bayreuth, doch dieses Mal lehnte sie ab. Denn wenige Wochen zuvor hatte die Politik ihren ersten bedrohlichen Schatten auf den Prinzregentenplatz 10 geworfen.
Die, die es traf, waren Hans, Ottilie und Gustav, und zwar in dieser Reihenfolge. Elisabeth weilte zu der Zeit auf einer Konzertreise in Rom, wo sie die Titelrolle in Puccinis Tosca sang, als sich in ihrer Abwesenheit das Folgende ereignete:
Franz, der ältere Bruder des Hausdieners Hans und Sturmabteilungs-Angehöriger der ersten Stunde, hatte, getrieben von tiefster Überzeugung und noch größerem Eifer, eine steile Karriere absolviert und es zum Sturmführer gebracht. Franz hatte nie verwunden, dass sich sein jüngerer Bruder all die Jahre der SA, wie sie gemeinhin nur genannt wurde, verweigert hatte. Darum tat Franz jetzt das, was er am besten konnte: Er wandte Gewalt und Tücke an.
Er lud den Jüngeren an dessen freiem Abend ein, machte ihn betrunken und verprügelte ihn hernach so lange, bis Hans nicht mehr wusste, wie und wann er das Aufnahmeformular für die Sturm-Abteilung unterschrieben hatte. Hans war nun offiziell ein Mitglied der SA geworden und damit Nationalsozialist.
Nach dem Krieg gab es bekanntlich eine große Anzahl von Nationalsozialisten, die, wenn man ihnen glauben darf, nie wirklich solche gewesen sind – und möglicherweise hat man auch sie im Zuge größter Trunkenheit (ob nun vom Alkohol oder vom Rausch der Macht sei dahingestellt) rekrutiert, jedoch kann man mit Fug und Recht behaupten, dass zumindest der Hans in seinem Herzen ein zutiefst überzeugter Nicht-Nationalsozialist gewesen ist.
Allerdings konnte sein seelisches Dilemma dem Hans nach dem Krieg einerlei sein:
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