Honigtot (German Edition)
zwar wortwörtlich: Ottilie hatte nach einem Spaziergang mit Hans den neuesten Tratsch mit in die Küche gebracht und verkündete, dass es am Prinzregentenplatz 16 im zweiten Stock einen neuen Mieter gäbe, den Hitler, über den sich der Herr Doktor doch immer so aufregen würde. „ Und die Miete zahl´n tut er a net selber! Aushalten lasst der sich, wie ein g´schlamperts Luder. Wirklich, ein feiner Herr, der Adolf Nazi “, entrüstete sich Ottilie.
* * * * *
Für 1931 lud man Frau Elisabeth Malpran das dritte Mal nach Bayreuth zu den Festspielen ein – 1928 und 1929 hatte sie zweimal zugunsten bereits fest verhandelter Auslands-Engagements absagen müssen. Man trug der Sängerin die Partie der Isolde und die der gleichnamigen Elisabeth im Tannhäuser an. Sie würde dabei mit ihrem bevorzugten Maestro, Arturo Toscanini, zusammenarbeiten können.
Dieses Mal konnte Elisabeth das Engagement gut in ihren Terminplan aufnehmen. Trotzdem zögerte sie mit ihrer Zusage. Zuerst wollte sie die Meinung ihres Gatten dazu hören. Denn die Wagners von Bayreuth, die die Festspiele 1924 wiederbelebt hatten, bekannten sich seit vielen Jahren offen zum Nationalsozialismus, während Gustav und sein Freund Fritz Gerlich, der kürzlich seine eigene Zeitschrift „Der gerade Weg - Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“ gegründet hatte, engagierte Gegner der Nationalsozialisten waren.
Seit dem fehlgeschlagenen Putschversuch im Jahre 1923 hatte sich der Journalist Gerlich zu einem der schärfsten Kritiker der aufkommenden nationalsozialistischen Bewegung entwickelt.
Wann immer Elisabeth ihn zusammen mit ihrem Mann zu Hause antraf, kannten die beiden nur ein Thema und teilten eine gemeinsame Sorge: Adolf Hitler musste aufgehalten werden!
Gerlich schrieb über den Nationalsozialismus sehr früh die prophetischen Worte: Er bedeute Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not.
Aber das interessierte damals kaum jemanden, und noch viel weniger Menschen wollten es hören oder lesen, erklärte Gustav Elisabeth. Denn es grassiere der geistige Analphabetismus und der braune Virus hätte leichtes Spiel; er fände genügend willige Opfer unter den Blinden und den Begeisterten, den Tauben und den Hörigen.
* * * * *
Noch Jahre später erinnerte sich Elisabeth an einen Disput der beiden Freunde über Hitler - vor allem auch deshalb, weil es kurz darauf zu einem ersten, ernstlichen Ehestreit zwischen Gustav und ihr gekommen war. Anlass war Hitlers Entlassung aus der Festung Landsberg gewesen - nach lediglich neun Monaten Haft, obwohl er zu fünf Jahren verurteilt worden war. Der künftige Führer war am 20. Dezember 1924 wegen guter Führung entlassen und wieder auf das deutsche Volk losgelassen worden. Für Fritz und Gustav insgesamt der krönende Gipfel des Versagens des Strafrechts im Bayerischen Staat.
An jenem Abend des 20. Dezembers hatte es also bei ihnen Sturm geklingelt und Fritz war wie ein Herbstwind hereingefegt. Er konnte seine wütende Erregung kaum unterdrücken: „Es ist ein Skandal, Gustav“, hatte er gewettert. „Der Mann putscht gegen den Staat, vier Polizisten werden getötet, alles brave Familienväter, und dann darf er nach neun Monaten als freier Mann davonspazieren.“ Gerlich war dabei wild gestikulierend durch Gustavs Zimmer gelaufen. „Schon die Gerichtsverhandlung war eine Farce. Ich war da. Der Richter hat ihn geschlagene vier Stunden am Stück reden lassen. Das war keine Verhandlung, sondern eine Parteikundgebung!“
Gustav nickte. „Leider trifft der Mann den Ton der Zeit, Fritz, und zu viele fallen in den Chor mit ein. Er ist ein gefährlicher Demagoge. Hitler hat sich einige Feindbilder geschaffen, denen er die Schuld an Deutschlands Misere zuschreibt, allen voran die Juden. Und er ist nicht allein. Er hat einige intelligente Mitstreiter wie Alfred Rosenberg und Hermann Göring an seiner Seite, die ihm einiges einflüstern und ihn unterstützen, weil sie darauf hoffen, in seinem Fahrwasser nach oben gespült zu werden.“
„Ja, er hat inzwischen zu viele einflussreiche Sympathisanten gewonnen, darum waren seine Haftbedingungen auch so lachhaft. Dieser Verbrecher war nicht im Gefängnis, sondern residierte wie in einem Hotel.“
„Ich habe davon gehört. Ein befreundeter Arzt hatte dort zu tun und hat mir ebenfalls ausführlich berichtet. Hitlers Raum war tatsächlich mit allen Annehmlichkeiten versehen.“
„Ja, Zimmer mit Ausblick und Besuch, ein ständiges Kommen und Gehen
Weitere Kostenlose Bücher