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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Empfangsdame und hieß sie einen Kaffee zu servieren.
    Sie bediente sehr höflich und legte auch ein paar exquisite Petit Fours dazu. Magda, die außer in einem Café noch nie in ihrem Leben bedient worden war, genoss die vertauschten Rollen ungemein. Der Herr Advokat ließ Magda für eine kurze Zeit allein in seinem riesigen, rundherum mit edlem Holz getäfelten Büro zurück.
    Gerade als Magda sich fragte, wie viel Wald wohl für eine solche Täfelung von Nöten wäre, kehrte er mit seinem Partner zurück, einem großen, würdevollen Mann von vorbildlicher ´arischer` Erscheinung. Herr Finkelstein stellte ihn mit warmer Geste als seinen Partner, den Herrn Baron Gerhard von Meyerlinck vor.
    Samuel war so klein wie klug, so gewieft wie vorausschauend, und deshalb würde er sich bei der Angelegenheit des Doktors im Hintergrund halten. Denn schon 1932 waren in der `Hauptstadt der Bewegung´, jene mit dem größten SA-Anteil, für jüdische Mitbürger unruhige Zeiten angebrochen und die Glaserei ein aufstrebendes Gewerbe.
    Herr von Meyerlinck hatte, wie Samuel Finkelstein Magda versicherte, beste menschliche und fachliche Qualitäten. Die junge Dame solle zunächst ohne Sorge nach Hause heimkehren und dort die Rückkehr des Doktors erwarten.
    Der Baron führte zunächst einige Telefonate, stellte sodann eine Reihe von weiteren Nachforschungen an und sandte zu guter Letzt Boten aus, woraufhin - nach einem angemessenen Austausch von finanziellen Zuwendungen, der Doktor und Ottilie bereits am nächsten Tag ihren unfreiwilligen Aufenthaltsort verlassen und gegen ihr Zuhause eintauschen durften.
    Das war ein Trubel, als alle zusammen, die Herren Finkelstein und von Meyerlinck in Begleitung der beiden Verschollenen am Prinzregentenplatz eintrafen, und Magdas umsichtiges Handeln gebührend gelobt wurde. Sie erhielt eine Erhöhung ihres wöchentlichen Lohnes und Bertha weinte vor Rührung und Stolz und stammelte ständig: „Das ist meine Nichte, das ist meine Nichte.“
    Der Doktor musste im Anschluss an das freudige Wiedersehen dann selbst zum Doktor - die Schläger hatten ganze Arbeit geleistet. Er trug von nun an einen Buckel auf der Nase und einen Backenzahn weniger, aber das Auge verheilte sehr gut.
    Natürlich war damit das Problem, dass der Hans sich – wenn auch unfreiwillig – der SA verpflichtet hatte, nicht gelöst. Es hatte eines weiteren, erklecklichen Sümmchens und des gesamten Einsatzes bestehender politischer Verbindungen bedurft, aber Hans entkam zunächst den Fängen der SA - allerdings nur bis zum Februar 1933.
     
    Nur wenige Tage, nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 vom greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden war, tauchte das Formular - gemeinsam mit dem bis an den Rand mit Häme angefüllten Sturmführer Franz -, aus den Tiefen einer Amtsstube wieder auf.
    Die SA war zwar bestechlich, aber Unterschrift war Unterschrift. Sie nahmen Hans gleich mit und wieder trug er das braune Hemd und marschierte fortan dem Untergang entgegen.
     
    Und Ottilie sagte zu Bertha in der Küche: „Jessas, jetzt wird´s brenzlig.“
    Und Bertha fragte: „Warum?“
    Und Ottilie sagte: „Weil doch der Herr Doktor ein Jud` ist und die mögen die neuen Herren nicht.“
    Und Bertha sagte: „Die Juden mögen die neuen Herren nicht?“
    Und Ottilie sagte: „Geh, sei doch nicht so blöd. Andersrum.“
    Und Klara, die schielende Kinderfrau, die sich sonst kaum in der Küche aufhielt, fragte: „Der Doktor ist ein Jude?“
    Felix, der Dackel, der sich pünktlich zur Essensvorbereitung in der Küche eingefunden hatte und vor der Anrichte saß, als hätte man ihn dort mit dem Schraubstock festgeklemmt, ließ sich dazu nicht lumpen und ließ genüsslich einen fahren.
    „Geh, Felix, du altes Schwein“, sagte Ottilie schmunzelnd zu ihrem Liebling.
    „Das macht er in der letzten Zeit aber oft“, bemerkte Bertha missbilligend, traute sich aber nicht, den Dackel der Herrschaft aus der Küche zu verjagen. Jedenfalls nicht, wenn Ottilie dabei war.
    „Ich weiß“, erwiderte Ottilie. „Der Herrschaft ist es auch schon aufgefallen. Der Doktor sagt, es wäre Flatulenz“, und hinuntergebeugt zum Dackel: „Du bist mir ein Stinkerle“, und streichelte den Anschmiegsamen, dem vor lauter Liebe gleich noch ein Wind entwich.
    „Aha“, machte Bertha und versuchte ihren Blick so einzustellen, als ob sie verstanden hätte, was damit gemeint war. Keinesfalls wollte sie vor der eingebildeten

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