Honigtot (German Edition)
von Freunden. Die Wagners aus Bayreuth, Frau Bruckmann, die halbe Münchner Gesellschaft. Hitler hat derart viele Pakete voller Lebensmittel erhalten, dass er einen Feinkostladen hätte eröffnen können. Darum konnte er sie auch mit seinen Mitgefangenen teilen und hat sich so gleich noch neue Verbündete geschaffen. Ich habe gehört, dass sich das Ritual eingebürgert hat, die Leckereien bei jeder Neuankunft mit Heil Hitler! zu begrüßen. Was für Idioten! Als wären wir im alten Rom.“
Gerlich wusste weiter zu berichten, dass Hitler in Landsberg seinem treuen Weggefährten, Rudolf Heß, das demagogische Schmähwerk `Mein Kampf´ diktiert hatte, in dem der Nationalsozialist für jeden unzufriedenen rechtsradikalen Topf den entsprechenden Deckel fand.
„Sympathisanten, wohin man sieht. Wer weiß, wohin das noch führen wird. Die Deutschen wissen nicht, worauf sie sich mit diesem Österreicher noch einlassen“, hatte sich Gerlich weiter ereifert.
Am nächsten Tag folgte dann Elisabeths Streit mit Gustav. So war es dazu gekommen: Ihre Freundin Helga Putzinger hatte Elisabeth am 21. Dezember zu einem Damenkränzchen in ihr neues Domizil in der Pienzenauer Straße im Münchner Stadtteil Bogenhausen eingeladen.
Bei dieser Gelegenheit erwähnte Helga, dass sie und Bubi an Heiligabend eine kleine Gesellschaft geben würden und lud Elisabeth, Gustav und die kleine Deborah ein, mit ihnen gemeinsam Weihnachten zu verbringen. „Der kleine Egon würde sich so sehr über das Baby freuen, Elisabeth. Herr Hitler, der gerade erst gestern aus Landsberg entlassen worden ist, hat ebenfalls seine Teilnahme zugesagt“, erzählte ihr Helga weiter.
Elisabeth, die sich schon auf das erste gemeinsame Weihnachten mit Deborah und ihrem Gatten gefreut hatte, hatte nicht das Herz gehabt, ihrer Freundin stante pede abzusagen. Stattdessen hatte sie ausweichend geantwortet: „Gerne, Helga, aber ich möchte auch Gusterl noch fragen. Schließlich ist es, wie du weißt, unser erstes gemeinsames Weihnachten als Familie.“
Gustavs starke Abneigung gegen Hitler erwähnte sie mit keinem Wort. Politik war zwischen Helga und Elisabeth nie ein Thema gewesen. Helga mied es absichtlich und Elisabeth interessierte sich bekanntlich nicht dafür.
Zuhause erzählte sie Gustav eher beiläufig von der Einladung, zu der Helga und Bubi außer ihnen auch diesen Herrn Hitler eingeladen hatten, überzeugt davon, dass ihr Gatte sowieso der gleichen Meinung wie sie war und Weihnachten unter sich in trauter Familie bleiben und zuhause feiern wollte. Daher rechnete sie auch mit einem einfachen ` Lieber nicht´ als Antwort.
Stattdessen geriet Gustav wie selten in Rage, kaum dass der Name Hitler im Raum verklungen war, und fand harsche Worte für Helga und Bubi, weil sie sich weiter mit diesem nutzlosen Schmarotzer abgaben.
Elisabeth fiel aus allen Wolken, als er ihr daraufhin den weiteren Umgang mit den Putzingers strikt und endgültig verbot!
Elisabeth war zuerst nur verblüfft. Dann aber wurde sie selbst wütend. Nicht auf ihren Mann, sondern auf diesen Burschen Hitler. Nicht wegen seiner Untaten, von denen sie wenig wusste, sondern weil man sich wegen diesem Herrn überhaupt so fürchterlich aufregen musste!
Und sie ärgerte sich über sich selbst: Wenn sie heute weniger Herz und mehr Mut gezeigt hätte, dann hätte sie Helga gleich an Ort und Stelle abgesagt. Und weil sie sich selbst unangenehm war und sich schon zweimal nicht ihren Umgang verbieten lassen wollte, tat sie etwas sehr Dummes. Sie ergriff die andere Partei: „Geh Gusterl, was du immer mit diesem Hitler spinnst. Dabei habt ihr so viel gemeinsam. Schau, Helga hat mir heute erzählt, wie sehr der Mann die Musik liebt. Jedes Mal bittet er Bubi, ihm etwas auf dem Klavier vorzuspielen. Und er ist ganz narrisch nach Süßspeisen und ein Vegetarier wie du ist er auch, weil er die Zamperln so mag, sagt Helga. Und mit dem kleinen Egon ist er sowieso ganz verrückt. Das kann doch kein gar so schlechter Mensch sein, oder? Wer weiß, wenn ihr euch kennenlernen und miteinander sprechen würdet, dann ...“
Noch während sie sprach, überkam Elisabeth bereits eine ihrer berühmten Stimmungsschwankungen, die von einer Sekunde auf die nächste einsetzen konnten. Sie fand den ganzen Disput lächerlich und überflüssig, vergaß den Grund überhaupt und sehnte sich plötzlich nach Musik und Harmonie. Sie stand auf, ließ Kaffee und den rot angelaufenen Gatten stehen, trat an ihr Pianoforte und
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