Honigtot (German Edition)
Andeutung von Bodenschatz. Nicht die Presse war es, die man in München als Belästigung zu fürchten hatte …
Und als wäre dies nicht genug, hatte Bodenschatz nach seinem hackenschlagenden Abgang rein zufällig eine braune Mappe auf dem Tisch liegen gelassen.
Elisabeth fand darin einige Broschüren „ Das Deutsche Reich und der Führer informieren .“ Zuoberst protzte der Erlass der Nürnberger Gesetze aus dem Jahre 1935 mit der schönen patriotischen Überschrift: „ Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre.“
Fein geschwärzt konnte man nachlesen, dass die Kinder einer Mischehe zwischen Juden und Arier als Mischlinge ersten Grades angesehen wurden. Im Klartext hieß das natürlich, dass Deborah und das Wolferl den neuen Herren als unerwünschte Halbjuden galten. Hintersinn und Bosheit lagen auf der Hand. Sie zielten darauf, Elisabeth mundtot zu machen.
Und Elisabeth dachte, so wenig zimperlich die Nazis in ihren Taten waren, so wenig subtil waren sie in der Ankündigung ihrer Methoden. Sie hatten grobe Hände und grobe Gedanken und sie mochte gar nicht weiter über diese selbsternannte Herrenrasse nachdenken, weil ihr davon nur übel wurde. Innerlich schäumte sie. Ihre eigenen Kinder gegen sie als Druckmittel zu verwenden!
Ein Glück für den Herrn Bodenschatz, dass er da längst den Rückzug angetreten hatte - er hätte sonst sicher Schaden genommen, aber das Adlon benötigte dann eine neue Kaffeekanne und der Teppich sang ein Klagelied.
Nach diesem kurzen Temperamentsausbruch gab sich Elisabeth kurz dem Gefühl des Triumphes hin, da sie ihre Kinder längst außer Landes und in Sicherheit wähnte. Seit der Abfahrt vom Münchner Hauptbahnhof, über den Göring nicht im Bilde schien - anders war die Intervention seines Adjutanten mit dem gemeinen Wink nicht zu interpretieren -, waren mehr als achtzehn Stunden vergangen.
Magda und die Kinder mussten längst die Grenze zum freien Frankreich bei Straßburg passiert, Paris womöglich schon erreicht haben! In spätestens weiteren achtzehn Stunden befanden sich die unerschütterliche Magda und die Kinder auf dem Kanal in Richtung Dover, wo sie Gustavs Bruder Paul in die sicheren Arme nehmen würde.
Wie alle Gefühle des Triumphes verflog auch dieses schnell, denn noch war der Anruf aus Dover durch Paul nicht erfolgt, das Schicksal Gustavs nicht geklärt und ihr Kopfweh schickte sich an zu neuer Pein.
Daher tat Elisabeth das einzig Vernünftige: Sie nahm noch ein Kopfschmerzmittel und beschloss, sich für einige Augenblicke auf dem Sofa auszustrecken. Tatsächlich schlief sie ein. Als sie aus unruhigem Schlaf erwachte, war es im Zimmer längst dunkel geworden und Elisabeth registrierte erschrocken, dass sie ganze sechs Stunden durchgeschlafen hatte. Ihre erste Aktivität galt einer Nachfrage bei der Rezeption, ob zwischenzeitlich Anrufe für sie eingegangen waren.
Zu ihrem Ärgernis erfuhr sie, dass sie gleich mehrere Telefonate verpasst hatte. Einige Journalisten hätten sich gemeldet und auch der Herr Furtwängler und Frau Martha Dodd und ein äußerst aufdringlicher und erregter Herr, der sich als ihr Impresario ausgegeben hätte. Aber die gnädige Frau hätte ja durch den Herrn Bodenschatz am Mittag ausrichten lassen, dass die gnädige Frau nicht gestört werden wolle. Darum habe man die Telefonate nicht weitergeleitet. Heil Hitler!
Elisabeth wünschte den Herrn Bodenschatz für die nächsten tausend Jahre in Dantes Purgatorium und putzte dann den armen Hotelangestellten bis auf seine Grundfesten nieder, dass es allein ihr, Frau Malpran, zustehe, wann man ihr Ihre Telefonate durchzustellen hatte. Grüß Gott!
Danach bemerkte sie, dass es ihr tatsächlich besser ging als noch am Morgen, und stellte fest, dass das beste Heilmittel gegen eine fiebrige Erkältung nicht etwa Ruhe, sondern ein aufrichtig gelebter Zorn war. Sie verspürte sogar wieder ein wenig Appetit und bestellte sich ein leichtes Mahl auf ihre Suite. Ein kleiner Page in roter Uniform brachte ihr zugleich alle ihre Nachrichten.
Inzwischen waren seit der Abreise der Kinder mehr als 24 Stunden verstrichen. Elisabeth hatte ein wenig darauf spekuliert, dass sich Magda aus Paris bei ihr melden würde - so war es vereinbart gewesen, wenn ihr genügend Zeit während des Umsteigens verblieben wäre. Aber so begnügte sie sich mit der Hoffnung, dass spätestens am nächsten Morgen der ersehnte Anruf aus London erfolgen würde. Sie rief zunächst selbst am
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