Honigtot (German Edition)
Prinzregentenplatz an und eine wiederhergestellte Ottilie versicherte der gnädigen Frau, dass zuhause alles in bester Ordnung wäre, aber ein wenig leer, ohne Kinder und Dackel.
Dann telefonierte sie mit ihrem aufgeregten Impresario in Wien, der aus allen K&K-Wolken gefallen war und immer noch im freien Fall begriffen, weil sie noch in Berlin weilte (davon musste er aus der Zeitung erfahren!) und nicht auf dem Weg nach London! Um den Redseligen loszuwerden, versicherte sie ihm, dass sie selbstverständlich ihrer Verpflichtung im Covent Garden nachkommen würde.
Herr Furtwängler war neuerlich nicht erreichbar. Die Telefonvermittlung des Adlon bedauerte betrübt, aber es sei ihr leider nicht gelungen, eine Verbindung zu Martha Dodd in London herzustellen. Auch wenn sich Elisabeth über Bodenschatz geärgert hatte, rief sie trotzdem in der Reichskanzlei an. Weder würde sie sich einschüchtern lassen noch würde sie aufgeben, doch weder Göring noch Bodenschatz waren anwesend, wollten vielleicht auch nicht mit ihr sprechen oder waren für sie nicht zu erreichen. Die Nachrichten der Journalisten ignorierte sie zunächst, bewahrte sie aber für den späteren Bedarf auf.
Elisabeth fühlte zwar noch eine gewisse Schwäche und ein Kratzen im Hals, aber da es ein milder Juniabend war, überlegte sie, dass ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft zu ihrer vollständigen Genesung beitragen würde.
Sie kleidete sich in ein burgunderfarbenes Ensemble mit passendem Hut, schwarze Strümpfe mit amerikanischer Naht und schlüpfte in ihre Pumps. Das dunkle Rot stand ihr ausgezeichnet. Sie begutachtete ihre Erscheinung im Spiegel und dabei überkam sie ein unvermutetes Gefühl der Zuversicht, dass sich alles wieder zum Guten wenden würde.
In der Lobby erwartete sie dann eine unwillkommene Überraschung. Immerhin hatte Bodenschatz, was die Penetranz der Presse betraf, nicht untertrieben: Eine bunte Truppe hatte sich inzwischen dort versammelt und bedrängte Elisabeth sofort wie eine Schar Gänse, die gefüttert werden wollte. Gleichzeitig schnatterten alle wild drauflos und in einem fort blitzte es aus vielen Fotoapparaten, die wie von Zauberhand über der Menge zu schweben schienen.
Frau Elisabeth Malpran sah auch wirklich entzückend aus und gab viele wunderbare Aufnahmen her, die am nächsten Tag dann gleich in mehreren Zeitungen zur allgemeinen Bewunderung erschienen. Aus dem Spaziergang wurde nichts, weil Elisabeth vor dem Ansturm lieber zurück in ihre Suite floh. So viel zu ihrem Gefühl von aufkeimender Zuversicht.
Während sie die Nadeln aus ihrem Haar zog, mit denen sie das kecke Nichts an Hut befestigt hatte, musste sie daran denken, wie ihr geschäftstüchtiger Impresario sich am Telefon über ihr kostenloses Interview mit der Associated Press aufgeregt hatte, weil jedes Interview seinen Preis haben musste! (Laut Vertrag standen ihm zwanzig Prozent aus Elisabeths Einkünften zu.)
Da saß sie nun wieder in ihrer Suite, allein mit ihren sorgenvollen Gedanken. Kein Stück war sie bisher bei ihrer Suche nach Gustav weitergekommen. Sie war lediglich vertröstet und zum Schluss sogar latent bedroht worden, sich still zu verhalten.
Elisabeth wusste nichts mit dem langen Abend anzufangen. Wie ein eingesperrtes Tier lief sie in ihrem Zimmer umher, dazu verurteilt, zu warten: Auf eine Nachricht über Gustav oder ihre Kinder.
Irgendwann sank sie ermattet auf ihr Bett. Sehr früh am nächsten Morgen erwachte sie mit steifen Gliedern. Als Erstes versuchte sie sofort, Gustavs Bruder Paul in London zu erreichen. Wieder bedauerte die Telefonvermittlung des Adlon die vergeblichen Versuche: „Das kann nicht an unserer Technik liegen, gnädige Frau, sondern an den Briten.“ Elisabeth befürchtete nun, dass diese Fehlfunktion auch im umgekehrten Falle vorliegen konnte und auch Paul sie nicht im Adlon erreichen konnte.
Gegen neun Uhr morgens kam ihr eine Idee. Sie rief erneut bei Mr Lochner von der Associated Press an und fragte ihn, ob es möglich wäre, dass sie seinen Apparat für ein Telefonat nach London benutzen könnte?
Mr Lochner, hocherfreut, spekulierte auf ein weiteres Exklusivinterview und lobte seine Nase, die von Anfang an gewittert hatte, dass Frau Malprans Aufenthalt in Berlin noch eine Delikatesse im Portfolio bereithielt.
Elisabeth, durch Erfahrung vorsichtig, erkundigte sich zunächst beim Portier, was aus der lagernden Presseschar geworden wäre? Sie erhielt die erfreuliche Antwort, dass die Hotelhalle
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