Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
Vom Netzwerk:
Charité verbracht werden zu wollen .
    Plötzlich bemerkte Elisabeth das künstliche Licht in ihrem Zimmer und schrak auf: „Mein Gott, es ist ja ganz dunkel draußen. Wie viel Uhr haben wir denn?“
    „Fast Mitternacht, Frau Malpran. Sie haben beinahe zehn Stunden geschlafen.“ Er wirkte zufrieden, als wäre dies seine ganz persönliche Leistung.
    Elisabeth war schon dabei, sich aus der Bettdecke zu schälen, doch der Arzt hinderte sie daran: „Nicht doch. Bitte, gnädige Frau. Wo wollen Sie denn hin? Sie müssen sich noch eine Weile schonen. Ich habe Ihnen heute Mittag eine starke, fiebersenkende Medizin eingeflößt. Das Fieberthermometer zeigte über vierzig Grad an. Das Beste für Sie wäre, wenn Sie versuchten, bis morgen früh weiterzuschlafen. Ich komme dann morgen nochmals vorbei, um nach Ihnen zu sehen.“
    „Aber Sie verstehen nicht, Herr Strelitz. Meine Kinder warten zuhause auf mich. Ich habe ihnen versprochen, dass ich heute Abend zurück sein werde. Sie sind sicherlich schon verrückt vor Sorge. Ich muss sofort telefonieren.“
    Wieder versuchte sie aus dem Bett zu klettern. Der Arzt konnte sie gerade noch auffangen, als ihre vom Fieber geschwächten Beine unter ihr nachgaben.
    „Aber was tun Sie denn da, Frau Malpran, ich bitte Sie, bleiben Sie doch liegen! Sie sind noch viel zu benommen. Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass sich Herr Brunnmann bereits persönlich um alles gekümmert hat. Er konnte eine Verbindung zur Gouvernante Ihrer beiden Kinder herstellen und lässt Ihnen durch mich ausrichten, dass bei Ihnen zuhause alles in bester Ordnung sei und man Ihnen von München aus eine gute Besserung wünscht. Sie sehen also, kein Grund zur Sorge. Schlafen Sie jetzt beruhigt, bitte. Umso früher sind Sie wieder gesund.“ Er griff nach einem halbvollen Glas auf dem Nachttisch, das eine eingetrübte Flüssigkeit enthielt, und flößte sie der Erschöpften ein. Es musste ein starkes Schlafmittel enthalten haben, denn Elisabeth sank fast sofort zurück in Morpheus' Arme.
     
    Als sie am nächsten Morgen gegen acht Uhr erwachte, achtete sie gar nicht darauf, wie sie sich fühlte. Ihr erster Gedanke galt den Kindern zuhause und der zweite, dass heute der 15. Juni war, der Tag ihrer geplanten Abreise nach London.
    Sie konnte die Entscheidung nicht länger hinauszögern. Wie viele wichtige Entscheidungen, die zunächst ewigem Zaudern unterworfen waren, fällte sie diese nun innerhalb von Sekunden: Sie, Elisabeth würde in Berlin bleiben und weiter jede Trommel für Gustav rühren, die sie kannte. Kurz streifte sie der Gedanke, dass jetzt Bubi Putzinger, Hitlers ehemaliger Auslandspressechef, dringend vonnöten gewesen wäre. Aber jener hatte sich längst selbst in die nationalsozialistischen Nesseln gesetzt, inzwischen die Schweiz verlassen, und saß nun in London in eigener Sache fest.
    Dafür hatte das Erlebnis mit dem Fotografen beim Souper mit Göring Elisabeth auf eine Idee gebracht. Verfügte sie nicht selbst über einige gute Kontakte zur ausländischen Presse?
    Ihre zweite, weit wichtigere Entscheidung betraf ihre Kinder: Sie würde Magda heute alleine mit Deborah und Wolfgang nach London schicken. Wären ihre Kinder erst einmal in Sicherheit, konnte sie sich ganz anders bewegen und agieren.
    Nachdem sie diese beiden weitreichenden Entschlüsse gefasst hatte, ging sie sofort daran, sie in die Tat umzusetzen.
    Sie rief Magda an, die die Nachricht ruhig und gefasst aufnahm. Die beiden Frauen sprachen noch sehr lange miteinander, wie Freundinnen. Nach dem Gespräch war Elisabeth noch mehr davon überzeugt, dass ihr Entschluss richtig war und sie Magda ihre Kinder ohne Bedenken anvertrauen konnte.
    Ottilie war im Übrigen am Abend zuvor unverrichteter Dinge und in trüber Verfassung nach München zurückgekehrt. Magda hatte ihr einen Tag Bettruhe verordnet und sie hatte bisher auch weder etwas von ihr gesehen noch gehört.
    Elisabeth ließ sich dann noch Deborah an den Apparat holen, versicherte ihr, dass alles zum Besten stünde, auch mit ihrer Gesundheit, „ Wirklich nur eine winzige Erkältung“, und dass es gute Hinweise gäbe . Diese würden es aber erforderlich machen, dass sie noch einige Tage in der Reichshauptstadt verweilen müsste.
    Sie erklärte ihrer Tochter weiter, dass sie Magda die Verantwortung für die Dauer der Reise nach London übertragen habe, sich aber trotzdem auch auf ihre Große verlasse! Sie, Elisabeth, würde dann in wenigen Tagen mit dem Vater zusammen nachkommen.

Weitere Kostenlose Bücher