Honigtot (German Edition)
„Dickes Busserl, meine Große, seid beide brav und folgt der Magda. Meldet euch dann bei mir im Adlon, wenn ihr morgen Abend in London im Hotel Mayfair angekommen seid. Grüß mir das Wolferl und sag ihm, die Mama schickt ihm ganz viele Busserln.“
Nachdem dies alles erledigt war, merkte Elisabeth, wie schwach sie noch war. Nach einem kurzen, nicht allzu heißen Bad mit anschließender kalter Dusche - Gustav schwor darauf, dass man den Tag nur so und nicht anders beginnen sollte -, fühlte sie sich soweit wiederhergestellt, dass sie die nächste Unternehmung in Angriff nehmen konnte.
Mit großer Sorgfalt widmete sie sich ihrer Toilette und bestellte sich darauf ein Frühstück mit einem Kännchen Kaffee und einem leichten Omelette auf ihr Zimmer.
Nachdem es gebracht worden war, trank sie nur eine Tasse Kaffee und vergaß das Omelette. Der Schwung, den sie durch ihre aktiven Entscheidungen gewonnen hatte, schien bereits wieder im Abklingen begriffen, und das Kopfweh kehrte pochend zurück. Sie nahm ein weiteres Aspirin und wartete auf das Einsetzen der Wirkung, als ein Herr von der Rezeption anrief und im strammen Ton verkündete, dass der Herr Hauptmann der SS, Dr. Strelitz, auf dem Weg zur gnädigen Frau nach oben wäre. „Heil Hitler!“
Es folgte eine nur kurze Begegnung. Der Arzt murrte, natürlich auf charmante Art, Frau Malpran schon wieder auf den Beinen anzutreffen, anstatt sich zu schonen, er aber natürlich sehr erfreut wäre, sie in so gutem Zustand anzutreffen. Dazu zauberte er einen entzückenden Blumenstrauß im Auftrag des Herrn Brunnmann hervor, zusammen mit einem kleinen Billet mit dem Wortlaut: Mit den besten Wünschen für eine baldige Genesung , das auch das Angebot enthielt, der verehrten gnädigen Frau jederzeit und in jeder Angelegenheit zu Diensten zu sein.
Elisabeths Gedächtnis hatte die beiden Begegnungen mit Herrn Brunnmann in der Reichskanzlei vollkommen ausgelöscht, sie hatte überdies vergessen, dass sie kurz gemeint hatte, in ihm Gustav wiedererkannt zu haben. Seltsamerweise konnte sie sich dafür aber an jedes einzelne der schwärmerischen Worte über die Qualitäten des Herrn Brunnmann erinnern, die das vorwitzige Serviermädchen in der Damentoilette von sich gegeben hatte.
Dr. Strelitz verabschiedete sich mit dem unvermeidlichen Hitlergruß und Elisabeth atmete auf.
Sie machte sich nach seinem Abgang sogleich daran, alle ihr zur Verfügung stehenden Quellen anzuzapfen. Sie telefonierte mit dem Büro von Furtwängler („Rundfunkaufnahmen, aber er wird sich sicherlich bald bei Ihnen melden, Frau Malpran“), ebenso wie mit Bodenschatz in Görings Büro („Beim Führer und nein, es gibt leider noch keine neuen Erkenntnisse, aber wir melden uns!“).
Elisabeth erinnerte sich jetzt auch an einen Empfang vor drei Jahren in Berlin, bei dem sie dem amerikanischen Botschafter William E. Dodd und dessen lebhafter Tochter Martha vorgestellt worden war. Martha Dodd hatte prompt versucht, sie zu einem Engagement an der New Yorker Metropolitan Opera zu überreden. Dieser Kontakt erschien ihr nun äußerst wertvoll und sie nutzte ihn sogleich.
Zu ihrer Enttäuschung teilte man ihr mit, dass sich Miss Martha Dodd zur Zeit in London aufhalte. Sie hinterließ daher überall lediglich Nachrichten und fühlte sich wegen der bisherigen Fehlschläge gleichermaßen erschöpft wie frustriert. Sie wunderte sich vor allem, dass sich zurzeit jedermann irgendwie in London aufzuhalten schien: Gustavs Bruder Paul, Bubi, Martha Dodd …
Elisabeth fand, dass es an der Zeit war, ihre Berühmtheit in die Waagschale zu werfen. Sie griff auf die Idee zurück, die ihr der unglückliche amerikanische Fotograf eingegeben hatte, nachdem er Görings Leibwache in die Hände gefallen war.
Ihr war nicht entgangen, dass der dicke Herr Feldmarschall wohl Damenbekanntschaften genoss und pflegte, aber so gerne sich seine bekannte Großmannssucht sonst im öffentlichen Licht der Presse sonnte - mit einer Dame, die nicht seine Ehefrau war, wollte er offenbar nicht auf dem Titelblatt erscheinen.
Wenn man seine resolute zweite Ehefrau Emmy, eine leidliche Schauspielerin mit kurzer Karriere, kannte, die sich selbst mit „Hohe Frau“ titulieren ließ, dann fand man auch gleich die Erklärung hierfür.
Elisabeth stellte bei sich fest, dass es zwar eine Unmenge an Tyrannen geben mochte, aber irgendwann begegnete scheinbar ein jeder seinem häuslichen Meister.
Sie ließ sich daher eine telefonische Verbindung zum
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