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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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von ihnen gesäubert worden wäre, was auch immer man darunter zu verstehen hatte.
    Elisabeth bestieg ein Taxi und vom Büro der Associated Press aus gelang es ihr ohne Verzögerung, ihre Schwägerin Annabelle in London zu erreichen.
    Annabelle war ein vitales Geschöpf, immer in Bewegung, und teilte ihr aufgeregt mit, dass sich Paul wie vereinbart schon am Abend zuvor nach Dover begeben hatte. Er wollte dort übernachten, da die Fähre sehr früh am Morgen anlegen sollte. Elisabeth hinterließ ihr für alle Fälle die Nummer von Mr Lochners Büro und bat sie um die Telefonnummer von Pauls Hotel. Sie rief dort an, aber Paul hatte bereits ausgecheckt. Elisabeth eilte daher zurück ins Adlon, wo Paul versuchen würde, sie als Erstes zu erreichen, und wartete. Und wartete. Stunde um Stunde. Zwischendurch rief Mr Lochner einmal bei ihr an, um durchzugeben, dass sich Pauls Frau gemeldet hätte und durchgegeben hätte, dass sich ihr Mann Paul bisher nicht gemeldet hätte.
     
    Bald war Elisabeth nicht nur am Durchdrehen, sondern steckte im Kreisel des Wahnsinns fest. Dann meldete die Rezeption Mr Louis P. Lochner an und Elisabeth stürzte ihm schon auf dem Flur entgegen.
    Mr Lochner knetete seinen Hut auf eine Art und Weise, die keine guten Nachrichten verhieß. Was auch sein persönliches Erscheinen erklärte.
    Herr Paul Berchinger, Gustavs Bruder, hätte sich bei ihm gemeldet, nachdem er das Adlon nicht hatte erreichen können: Paul hatte bereits zwei Fähren aus Calais abgewartet, aber die Kinder und Magda wären auf keiner der beiden gewesen. Er würde aber noch auf die nächste und letzte Fähre des Tages am Nachmittag warten und sich dann wieder melden. Elisabeth brach zusammen und Mr Lochner, der nicht mehr an sein Interview dachte, sondern nur noch an die Mutter, die sich um ihre Kinder sorgte, entwickelte enorme Fürsorge.
    Er bestellte Kaffee und Cognac und flößte Elisabeth von beidem ein, nichtsahnend, dass Elisabeth kurz zuvor, von neuerlichen heftigen Kopfschmerzen geplagt, gleich zwei Tabletten auf nüchternen Magen genommen hatte. Ihr wurde so schlecht, dass Mr Lochner die Taumelnde ins Badezimmer geleiten musste.
    Elisabeth kehrte nach fünfzehn Minuten verlegen und leidlich nüchtern zurück, während Mr Lochner gerade mit seinem Büro telefonierte und Anweisung erteilte, wo er zu erreichen wäre. So leisteten sich die beiden beim Warten Gesellschaft und Mr Lochner bekam tatsächlich sein Exklusiv-Interview mit Elisabeth Malpran, das aber niemals veröffentlicht werden würde. Elisabeth erzählte dem Mann, zu dem sie Vertrauen gefasst hatte, von ihrem Plan, aus Deutschland auszuwandern.
    Mr Lochner, der schon so einiges in seinem Leben erlebt hat, vor allem seit er aus dem Deutschen Reich berichtete, wunderte sich darüber, warum sie und ihr Gatte es denn nicht umgekehrt angegangen wären? Warum denn ihr Mann in Gottes Namen zuerst und unter seinem eigenem Namen vorausgefahren sei? Wäre es denn nicht besser gewesen, wenn sie und die Kinder vor ihm nach London gereist und er mit falschen Papieren nachgekommen wäre?
    Und Elisabeth erwiderte, er hätte doch falsche Papiere gehabt, und dann wurde sie ganz blass und ihre violetten Augen weiteten sich. Mr Lochner befürchtete sofort ein weiteres Malheur und sah sich in hektischer Aktivität nach einem geeigneten Behälter um. Doch Elisabeth übergab sich nicht, sondern sagte: „Mein Gott, mein Mann reist nicht als Dr. Gustav Berchinger, sondern als Peter Friehling.“
    Mr Lochner sagte: „Ich nehme an, das haben sie dem Herrn Göring nicht gesagt?“
    „Nein, natürlich nicht“, meinte Elisabeth und sah den in diesen konspirativen Angelegenheiten sichtlich weitaus erfahreneren Mr Lochner an, als forderte sie ihn zu Lösungen auf.
    „Hm“, machte Mr Lochner und kratzte sich das Kinn. Irgendwo in Elisabeths Kopf schlug eine Stimmgabel missliche Töne an und teilte ihr mit, dass ihr nicht gefallen würde, was dem „Hm“ am Ende von Mr Lochners Gedanken folgen würde.
    „Nun“, räusperte sich Mr Lochner. In diesem kleinen Laut lag unüberhörbar ein Zaudern, mit seinen Überlegungen herauszurücken. Zwischenzeitlich und irgendwie war Mr Lochners unglücklicher Hut in Elisabeths Hände geraten und würde in dieser Funktion nie wieder getragen werden.
    „Nun, es gibt zwei Möglichkeiten, Frau Malpran. Spielen wir sie einmal durch: Herr Göring hat nicht gefragt, weil er entweder längst über Ihren England-Plan Bescheid wusste und mit Ihnen gespielt

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