Honigtot (German Edition)
Korrespondenten der größten amerikanischen Nachrichtenagentur, Associated Press in Berlin, Mr Louis P. Lochner, herstellen und bat den gleichermaßen Überraschten wie Hocherfreuten - da die bekannte Diva bisher als pressescheu gegolten hatte -, zu einem Gespräch ins Adlon.
Elisabeths Intention sah nicht vor, der Presse in Gestalt des Mr Lochner den eigentlichen Grund ihres Aufenthalts in Berlin mitzuteilen. Sie wollte lediglich Hermann Göring daran erinnern, dass es sie, Elisabeth Malpran, gab und dass andere ihr zuhörten.
Kapitel 19
Mr Lochner war mit einer deutschen Adeligen verheiratet. Er sprach gut Deutsch, pflegte beste Verbindungen in die höchsten Kreise von Adel und Geld und stand dem Nationalsozialismus, soweit Elisabeth zugetragen worden war, mit kritischem Urteil gegenüber.
Der kleine, kahlköpfige Lochner eilte alsbald herbei und Elisabeth sprach ausführlich über ihr privates Glück mit ihrem Mann und ihren Kindern und wie sehr sie sich darauf freue, bald im Londoner Covent Garden in Mozarts Zauberflöte auftreten zu dürfen. Die Sorge um ihren Mann ließ sie sich mit keinem Wort und keiner Geste anmerken; es hatte seinen Vorteil, eine im dramatischen Fach ausgebildete Künstlerin zu sein.
Aber sie erwähnte, natürlich beiläufig, dass sie kürzlich mit dem Generalfeldmarschall und Musikliebhaber Hermann Göring ein reizendes Gespräch über die Oper bei einem gemeinsamen Souper im Hotel Adlon hatte führen dürfen.
Mr Lochner lauschte aufmerksam und stellte selbst wenige Fragen. Elisabeth vermutete, dass er mehr hinter ihrer plötzlichen Offenheit witterte, sich aber vornehm zurückhielt, was ihr eine erstaunliche Eigenschaft für einen Journalisten zu sein schien.
Später dachte sie darüber nach, ob der Mann sich einfach nur deshalb in Geduld geübt hatte, weil er instinktiv geahnt hatte, dass sie bald wieder zusammenkommen würden. Auf jeden Fall schied man im besten Einvernehmen voneinander.
Prompt erschienen am nächsten Tag in den wichtigsten Blättern, wie Hearst´s International, Cosmopolitan oder der Londoner Times, überschwängliche Artikel über Elisabeth Malpran, die schönste Sopranistin, die die Welt je gesehen hatte ...
Elisabeth hatte erreicht, was sie wollte: öffentliche Aufmerksamkeit. Ihre Botschaft war angekommen, denn die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten.
Schon gegen 11 Uhr desselben Morgen meldete der forsche Herr von der Rezeption den Besuch „des persönlichen Adjutanten des Herrn Generalfeldmarschalls Göring, Herrn Karl-Heinrich Bodenschatz. Heil Hitler!“
Bodenschatz, ein Oberst der Luftwaffe, war bis zum Tod des roten Barons, Manfred von Richthofen, dessen Adjutant gewesen. Göring hatte im Ersten Weltkrieg im selben Geschwader wie die beiden gedient. Seit 1928 fungierte Bodenschatz nun als Görings Adjutant und war ihm in Freundschaft verbunden. Er war sein Mann für alle Konstellationen und heiklen Angelegenheiten. Seine dehnbare Position reichte vom Prügelknaben bis zum Postillon d´amour. Stets informiert und diskret, besaß allein sein Besuch bei Elisabeth entsprechende Aussagekraft.
Aber er sagte dann noch so einiges, versicherte der von allen hochgeschätzten Künstlerin, dass wirklich alles getan würde, um die Umstände des Verschwindens ihres Gatten aufzuklären, und die gnädige Frau bitte doch im Augenblick davon absehen möchte, weitere Termine mit der ausländischen Presse wahrzunehmen. Sie solle bitte dem Herrn Generalfeldmarschall das verdiente Vertrauen entgegenbringen …
Und dann floss ein furchtbares Gespenst in ihr Gespräch ein. Elisabeth rechnete es Bodenschatz an, dass dies immerhin mit einem gequälten Gesichtsausdruck geschah, als litte er an Zahnschmerzen. Obwohl der Mann es nicht direkt aussprach, so war er trotzdem sehr gut von Elisabeth verstanden worden. Er hatte damit die Richtung eingeschlagen, für die das herrschende Regime bisher ausschließlich devotes Entgegenkommen einheimste: die Drohung. Die verehrte Gnädige müsse schließlich jetzt vor allem und zuerst an ihre beiden Kinder denken. Die Presse wäre bei der Informationsbeschaffung nicht immer zimperlich in ihren Methoden und würde womöglich die Situation ausnutzen. „Bedenken Sie, gnädige Frau, Sie wollen doch sicherlich nicht riskieren, dass die Pressemeute Ihre Anwesenheit in Berlin ausnutzt und womöglich Ihre lieben Kinder zuhause privater Belästigung ausgesetzt sind!“
Natürlich verstand Elisabeth die
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