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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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sich zurechtzufinden. Endlich ertastete sie den Lichtschalter. Das Telefon verstummte im gleichen Augenblick, als die Nachttischlampe aufflammte.
    Elisabeth und Deborah sahen sich in geteilter Erleichterung an. Beide hatten sie das Schrillen des Apparates als etwas Unheilverkündendes empfunden, ein unseliger Ton, der ihre geheimen Ängste zum Schwingen brachte. Nun dachten sie, dass es nur ein Versehen war; jemand hatte wohl eine falsche Nummer gewählt. Gerade als bei beiden die Entspannung einsetzte und sie sich beruhigt zurück auf die Kissen sinken ließen, setzte das Schrillen erneut ein. Mit einem Seufzen nahm Elisabeth den Hörer ab.
    So erfuhr sie von der nächsten Katastrophe und der diesmalige Überbringer war Ottilie.

 
     

    Kapitel 21
     
     
    Die Knechte des Regimes waren kurz nach vier Uhr morgens am Prinzregentenplatz 10 aufgetaucht.
    Die Regierungsbarbaren kannten die Wirkung und Qualität des Schreckens, jemanden mitten in der Nacht aus der Sicherheit seines warmen Bettes zu zerren. Mit selbstherrlichem Gehabe und Radau waren sie in die Wohnung gestürmt.
     
    „Frau Doktor, Frau Doktor! Sind Sie es?“, brüllte Ottilie, als müsste sie die Distanz zwischen München und Berlin allein mit ihrer Lautstärke überwinden. Dabei musste sie so schreien, denn im Hintergrund erklang allerlei Lärm, wie das Splittern von Glas und das Krachen von umstürzenden Möbeln. Dazwischen war johlendes Krakeelen zu hören.
    „Ottilie, sind Sie es? Was ist denn so früh? Und was ist das um Himmels willen für ein Aufruhr bei uns?“
    „Den Doktor suchen´ s. Sagen, er wär´ ein flüchtiger Verbrecher und ein Dieb! Unser Doktor! Die schlag´n hier alles kurz und klein, das schöne Geschirr und ihr Klavier. Ich durft´ bloß telefonier´n, weil der Hauptmann hier ihr schönes Bild g´sehn hat. Frau Doktor, Sie müssen sofort was tun, sonst bleibt nichts mehr übrig!“
    „Ottilie, das ist schlimm, aber nicht so schlimm“, erwiderte Elisabeth und hatte Mühe, ein hysterisches Kichern zu unterdrücken. Ihr Gustav war überall, nur nicht zuhause. Darum sagte sie, auch weil sie die tröstlichen Körper ihrer Kinder neben sich im warmen Bett in Sicherheit wusste: „Es sind doch nur Sachen, Ottilie. Aber sag, haben Sie dir oder der Bertha etwas getan? Seid ihr wohlauf?“
    „Ja, ja, aber die Gläser und die Möbel und die Wäsche. Alles hin, alles dreckig“, jammerte Ottilie weiter.
    „Das bringen wir wieder in Ordnung, Ottilie. Am besten gibst du mir einmal diesen Hauptmann an den Apparat.“
    Elisabeths Verstand arbeitete indessen geschwind, sie rekapitulierte ihren Besuch bei von Meyerlinck, dachte an Gustavs dort verwahrte Papiere und Vollmachten und wie der Advokat ihr beim Abschied anvertraut hatte, dass sie sicherlich bald über ihre Fluchtpläne im Bilde sein würden.
    Die Durchsuchung zeigte, dass es soweit war. Zunächst aber musste sie in Erfahrung bringen, wie entgegenkommend sich der Leiter der Aktion zeigen würde. Danach würde sie keine andere Möglichkeit haben, als Herrn Brunnmann erneut um Hilfe anzugehen und ihrem Schuldschein dadurch eine weitere Position hinzuzufügen.
    „Hauptmann Kaspar Brandmeier. Heil Hitler!“, brüllte der Mann nicht weniger laut als Ottilie in den Apparat. Das Hackenschlagen seiner Stiefel auf dem schönen Eichenparkett knallte durch den Hörer, dass es Elisabeths empfindsames Ohr schmerzte.
    „Herr Hauptmann, ich danke Ihnen, dass Sie meinem Hausmädchen erlaubt haben, mich zu verständigen. Sie haben sicherlich einen wichtigen Auftrag und Grund für Ihre Durchsuchung. Ich möchte Ihnen aber versichern, dass ich mich zurzeit in Berlin aufhalte, um das Verschwinden meines Mannes aufzuklären. Herr Generalfeldmarschall Göring kümmert sich persönlich darum, wie er mir gerade erst bei einem gemeinsamen Souper versichert hat. Gibt es eine Möglichkeit, dass Sie Ihre Durchsuchung jetzt beenden und ich sorge dafür, dass Sie in den nächsten Stunden eine entsprechende Anweisung aus Berlin erhalten?“
    „Tut mir leid, gnädige Frau. Aber ich habe meine strikten Befehle. Sie können selbstverständlich Beschwerde in Berlin einlegen. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass Ihre arischen Hausangestellten nichts zu fürchten haben.“ Das klang so wichtig wie ablehnend und Elisabeth verstand, dass der Mann sich die braune Ideologie völlig einverleibt hatte. Was wiederum bedeutete, dass er der Fähigkeit, selbständig zu denken, verlustig gegangen war und nicht über

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