Honigtot (German Edition)
mit Chauffeur und Standarte trieb, erfuhr Elisabeth nicht und sie fragte ihn auch nicht danach.
Sie gestand es sich selbst niemals gänzlich ein, aber sie fürchtete sich vor diesem letzten Wissen. Immerhin hatte er ihre Kinder gerettet, Magda vom Vorwurf des Diebstahls befreit und ihren Schmuck zurückgebracht. Ein wenig blinde Dankbarkeit stand ihr zu.
Leider erwies sich die Rückgabe ihrer Juwelen dann für Elisabeth als ein für jene Zeit typisches, sprich nachteiliges Tauschgeschäft.
Denn Herr Brunnmann hatte zu ihren Preziosen auch eine amtliche Bestätigung der Beschlagnahmung der „Immobilie befindlich am Prinzregentenplatz 10“ mitgebracht. Gustav war als der Besitzer der Immobilie eingetragen. Elisabeths Gatte jedoch galt dem Regime jetzt praktischerweise als jüdischer Flüchtling und alles, was einmal von Rechtswegen ihm gehört hatte, gehörte nun dem Großdeutschen Reich und seinem Führer.
Ein weiterer herber Schlag für Elisabeth, die damit auch ihr Zuhause verlor. Aber der vorausschauende Herr Brunnmann hatte gleich eine Lösung parat:
Er selbst hatte die Immobilie rechtmäßig erworben und bot Elisabeth nun an, dass sie selbstverständlich mit ihren Kindern darin wohnen bleiben durfte, und zwar so lange es ihr selbst angenehm sein würde. Er zog einen Packen Papiere aus seiner Aktentasche und präsentierte ihr einen fertigen Mietvertrag auf ihren Namen.
Die Höhe der Miete war tatsächlich äußerst entgegenkommend. Elisabeth, verwirrt und noch halb unter Schock stehend durch die niederschmetternde Nachricht der Enteignung von Gustavs Gütern, unterzeichnete sofort und ohne Bedenken.
Das Zuhause für die Kinder war dadurch gesichert und Elisabeth überkam Erleichterung. Sie versicherte Herrn Brunnmann noch mehrmals im Laufe dieser Begegnung, dass sie, sobald ihr die nötigen Mittel zur Verfügung stünden, die Immobilie für ihre Kinder selbstverständlich sofort von ihm zurückerwerben wolle.
Sie bat ihn dann erneut um seine Hilfe bei den Nachforschungen zum Verbleib ihres Gatten Gustav, was er ihr versprach. Elisabeth selbst fuhr die Strecke bis zur Schweizer Grenze mehrere Male ab, zeigte Gustavs Bild herum und befragte jeden, der ihr unterkam. All diese Unternehmungen waren wie ein Versprechen an sich selbst, dass Gustav ihrem Herzen weiter ganz nah und niemals vergessen sein würde.
Wochen und Monate zogen ins Land und mit jedem Tag schwand die Hoffnung auf ein gutes Ende ein Stück mehr, doch Elisabeths Liebe für Gustav blieb beständig.
Im November 1938, nach fünf Monaten verschiedener Engagements in Städten des Deutschen Reichs, fiel Elisabeth erstmalig auf, dass ihr bisher kein einziges Engagement auf den großen und freien europäischen Bühnen Paris, London oder Brüssel angetragen worden war. Einzig ein Angebot aus dem faschistischen Rom lag vor.
Misstrauisch fragte sie bei ihrem österreichischen Impresario nach und erfuhr von diesem, nach einigem Herumgedruckse, dass er von höherer Stelle gebeten worden wäre, dergestalte Angebote nicht an die Sopranistin Elisabeth Malpran heranzutragen.
Da begriff Elisabeth, dass sie wie eine Geisel im eigenen Land gehalten wurde. Sie wurde erst wütend und dann sehr entschlossen. Man hielt sie also für unzuverlässig? Bitte, wenn man sie schon für unzuverlässig hielt, dann wollte sie die Regierung auf keinen Fall enttäuschen. Und so begann Elisabeth im November 1938 ein zweites Mal eine Flucht aus Deutschland zu planen.
Kapitel 24
Wenige Tage zuvor hatte der Karneval des Bösen erneut durch München getobt. Elisabeth hatte an jenem Abend am Fenster ihres Wohnzimmers im vierten Stock gestanden und den nächtlichen Feuerschein beobachtet, der über der Stadt lag. Mit endgültigem Schrecken hatte sie erkannt, dass der faschistische Wahnsinn unaufhaltbar und immer weiter um sich greifen würde, bis er alles Gute und Schöne für immer verschlungen haben würde.
In dieser verhängnisvollen Nacht vom 09. November waren überall im Reich jüdische Geschäfte in Flammen aufgegangen und jüdische Bewohner wurden aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben. Das Schicksal der beiden letzten verbliebenen Synagogen Münchens wurde in dieser Nacht ebenfalls vom Feuer besiegelt.
Die deutsche jüdische Kultur und alles jüdische Leben sollte vollkommen ausgelöscht werden, so lautete der Wille des Führers.
Es war der Beginn der Novemberpogrome. Diese Nacht legte Zeugnis ab über die fortschreitende Entmenschlichung
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