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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Augen und Hände ruhig zu halten, um nicht dem Drang nachzugeben und ihre Armbanduhr zu fixieren.
    Ausgerechnet heute war Herr Brunnmann verflixt ausdauernd und ausgezeichnet aufgelegt. Er hatte dem verschleckten Wolfgang wieder eine Tüte Bonbons mitgebracht und dazu dessen bevorzugte Leckerei - echte Mozartkugeln aus Salzburg - und für Elisabeth und Deborah eine Sachertorte aus Wien, was immerhin Auskunft über seine letzten Reisen gab. Die Schokoladensünde war von Bertha auch gleich großzügig angeschnitten und serviert worden.
    Herr Brunnmann blieb sitzen und die Zeit verstrich und es gab keine Möglichkeit, ihn elegant loszuwerden, zumindest keine, die Elisabeth in ihrer Not einfallen wollte. Und dann war es zu spät für den Aufbruch.
    Als Herr Brunnmann sich nach über zwei Stunden endlich verabschiedete, gab es für Elisabeth eine böse Schrecksekunde. Er zog eine kleine Schmuckschachtel hervor, und sie dachte erschrocken: Um Himmels willen und bei Mozarts Requiem, er wird mir doch jetzt wohl keinen Antrag machen wollen?
    Doch er öffnete es langsam, hielt es ihr hin und meinte beinahe beiläufig: „Diesen Ring habe ich durch Zufall bei einem Juwelier in Berlin entdeckt. Es ist Ihrer, nicht wahr, Frau Elisabeth? Ich habe ihn sofort wegen der ungewöhnlichen Farbe des Steins erkannt. Das gleiche Violett wie Ihre Augen. Ich möchte Sie bitten, wenn Sie das nächste Mal dringend Geldmittel benötigen, kommen Sie damit zu mir. Sie wissen, ich bin Ihr Freund.“ Er küsste ihre Hand und es war das erste Mal, dass seine Lippen ihren Handrücken berührten.
    Er ging und ließ Elisabeth mit heftig pochendem Herzen zurück. Sie spürte noch immer seine Lippen auf ihrer Hand und wischte sie mechanisch an ihrem Kostüm ab. Kraftlos sank sie auf den Sessel zurück. Elisabeth hatte begriffen, dass dies kein normaler freundschaftlicher Besuch von Herrn Brunnmann gewesen war, sondern eine Warnung.
    Trotzdem oder gerade deshalb beschloss Elisabeth spontan, es gleich am nächsten Tag erneut zu versuchen.
    Ohne Zwischenfall erreichte sie mit den Kindern und Magda den Hauptbahnhof. Ein großes Polizei- und SS-Aufgebot war davor aufmarschiert.
    Der Taxifahrer, mit Hakenkreuzbinde am Arm, hielt ein Stück weit vor der Absperrung an, reckte den Kopf und meinte: „Öha, scho´ wieder a Razzia. Die suchen bestimmt wieder flüchtige jüdische Verbrecher“, und Elisabeth sagte: „Bitte kehren Sie um, ich habe es mir anders überlegt.“ Neben sich hörte sie es rascheln. Wolferl war dabei, sich ein weiteres Bonbon aus der Tüte zu angeln. „Nein, Wolferl, du hattest schon genug“, sagte Elisabeth gereizt und entwand ihm das Bonbon. Dann starrte sie darauf und dachte zuerst, ihre Augen spielten ihr einen Streich: Auf dem Einwickelpapier des Bonbons prangte ein Hakenkreuz. Sie entkam ihm nicht.
     
    Elisabeth sagte Zürich ab, gab ihre Pläne aber keineswegs auf. Sie dachte sich jedoch, dass es vielleicht klüger wäre, einige Monate bis zu ihrem nächsten Versuch abzuwarten, bis man dachte (wobei sie sich selbst nicht sicher war, wer dieses man denn eigentlich genau sein sollte), sie hätte sie aufgegeben.
    Vor allem würde sie niemanden mehr in ihre weiteren Pläne einweihen, weder die britische Botschaft noch Mr Lochner und am allerwenigsten ihren überängstlichen Impresario, den sie im Übrigen im Verdacht hatte, ihre Pläne verraten zu haben. Dabei hatte sie ihn in dieser Sache explizit um Diskretion und Stillschweigen gebeten. Der Mann war ebenso unstet wie geschäftstüchtig; die Wahrscheinlichkeit, dass er gefürchtet hatte, mit Elisabeth Malpran sein bestverdienendes Pferd im Opernstall zu verlieren, wenn sie sich ins freie Ausland absetzte, drängte sich ihr auf.
    Als Erstes suchte sich Elisabeth einen neuen Impresario. Eine Sängerin musste ihrem Impresario beinahe das gleiche Vertrauen entgegenbringen können, wie sie ihrem Pianisten oder Dirigenten vertrauen musste, ihr die richtigen Tempi und Einsätze vorzugeben.
    Elisabeth überlegte, dass ihr Impresario die Ironie dahinter vermutlich niemals begreifen würde. Im Grunde hatte seine Furcht, sie zu verlieren, genau das herbeigeführt, was er hatte vermeiden wollen: den Verlust seines Stars.
     

 
     

    Kapitel 2 6
     
     
    Die nächsten drei Monate gerieten zu einer schweren Belastungsprobe für Elisabeth.
    Längst war sie eine Gefangene zwischen Angst und Hoffnung, zwischen Resignation und Rebellion. Wenn sie am Ende ihres Auftritts auf der Bühne stand und

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