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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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überlegte sich deshalb, wie schwer es nun, da Deutschland sich im Kriegszustand befand, erst werden würde, das Land zu verlassen?
    Und der Vorwurf legte sich wie eine böse Mahnung über sie: Hatte sie zu lange gezögert?
    Aber ihre Zuversicht stemmte sich dagegen. Elisabeth spekulierte, dass die Nazis jetzt mit anderem, Schwerwiegenderem beschäftigt waren. Vielleicht würde es sogar einfacher für sie werden?
    Eines aber war sicher: Mit Kriegsbeginn würde ein Exodus einsetzen und noch viel mehr Menschen würden das Land verlassen wollen. Elisabeth größte Sorge galt daher der Frage: Wie würde das freie Land Schweiz darauf reagieren? Würde es seine Grenzen schließen?
    Elisabeth handelte sofort. Sie nahm ein Bündel Geldscheine an sich, nahm ein Taxi und fuhr zum Hauptbahnhof, wo sie gleich für den nächsten Tag die entsprechenden Fahrscheine für Zürich lösen wollte. Ihr Instinkt hatte sie nicht getrogen. Wenn überhaupt möglich, war an diesem Nachmittag am Münchner Bahnhof noch mehr los und die gewünschten Fahrscheine waren bereits ausverkauft. Elisabeth folgte wiederum einer jähen Eingebung und kaufte die ersten, die es noch gab, und zwar für den 5. September sowie für die beiden darauffolgenden Tage, jeweils vier Fahrkarten erster Klasse nach Zürich. Es kostete sie ihre gesamte Barschaft.
    Danach fühlte sie sich erleichtert, die Last des Entschlusses war von ihr abgefallen - auch weil sie für jegliche Eventualität vorgesorgt hatte. Selbst wenn am 05. September etwas dazwischenkommen würde, wie ein weiterer, unangekündigter Besuch des Herrn Brunnmann, so gab es an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einen Ersatzplan.
    Blieb noch das Problem, wie es mit Bertha und Ottilie weitergehen sollte, die bald ihre Arbeit und damit ihren Lebensunterhalt verlieren würden.
    Die Wohnung am Prinzregentenplatz gehörte ihnen bekanntlich nicht mehr. Die beiden langjährigen Dienstboten konnten nach dem Geschick, das der unschuldigen Magda in Stuttgart widerfahren war, nicht dort bleiben, wenn ihre Herrschaft das Land gegen den Willen der Regierenden verlassen hatte.
    Auch erinnerte sich Elisabeth gut daran, wie Herr Brunnmann ausgerechnet am Tag ihres ersten Versuchs mit dem Ring als Warnung für sie aufgetaucht war. Elisabeth fürchtete zwar keine direkten Repressalien gegen die beiden, doch es würde ihrem eigenen Gewissen dienen, die beiden treuen Seelen gut versorgt und in Sicherheit zu wissen.
    Elisabeth sprach mit Magda über das Problem und sie fand sogleich eine praktikable Lösung für die Köchin Bertha. Am übernächsten Tag schon reiste Magdas älterer Bruder Josef nach München, der nach dem Tod des Vaters jetzt der Bauer auf dem Hof in Thanning war. Er würde Bertha mit zu sich nehmen. Bertha zeterte und weinte, sie wollte nicht gehen, denn sie glaubte, dies wäre die Bestrafung dafür, dass ihr das Wolferl entwischt war. Aber es half alles nichts.
    Elisabeth tat es selber leid, die Verzweiflung der getreuen Alten mit anzusehen, aber sie durfte ihr allein schon zu deren eigenem Schutz nicht die Wahrheit verraten.
    Das mit Ottilie erledigte sich dann innerhalb von wenigen Tagen von ganz alleine.
    Hans, der Soldat, hatte sie schon vor langem um ihre Hand gebeten und jetzt, im Angesicht des Krieges, willigte Ottilie sofort ein.
    Schon am 04. September wurde sie von Elisabeth in eine neue Zukunft nach Freising verabschiedet. Sie hatte Ottilie großzügig mit einer Aussteuer versorgt, wobei sie der Guten alles mehr oder weniger aufdrängen musste.
    Nun gab es in der Wohnung am Prinzregentenplatz nur noch Elisabeth, Magda, Deborah, Wolfgang und die Dackeldame Biene, die in letzter Zeit noch dicker geworden war. Elisabeth vermutete stark, dass sie von Bertha mit viel schlechtem Gewissen angefüttert worden war.
     
    Am Abend des 4. September unternahm Elisabeth einen letzten Rundgang durch die Wohnung und zwang sich, nicht an das Glück der Arche-Noah-Jahre denken, die sie hier mit Gustav hatte verleben dürfen. Sie überlegte, wie seltsam leer die Wohnung heute wirkte. Es kam ihr fast so vor, als würde das Echo ihrer künftigen Abwesenheit bereits in ihr widerhallen.
     
    Eine halbe Stunde vor Mitternacht, Elisabeth war kaum in den Schlaf gesunken, wurde sie unsanft geweckt. Die Übeltäter standen an ihrem Bett: Deborah und Wolfgang!
    Elisabeth fuhr erschrocken auf und rief: „Um Himmels willen, was ist denn jetzt wieder passiert?“
    Und Deborah sagte: „Mama, Biene ist Mama geworden.“ Ihre Augen

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