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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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kommunizierten in der Sprache der Verzweiflung. Deborah, die erst seit dem Abend in den Plan ihrer Mutter eingeweiht war, sich in die Schweiz abzusetzen, hatte sofort erfasst, dass sie Biene und ihre Welpen so nicht würden mitnehmen können. Gleichzeitig flehte sie ihre Mutter um eine Lösung für dieses neuerliche Dilemma an.
    Elisabeth seufzte resigniert, schlüpfte in ihre Pantoffeln und sagte: „Sehen wir sie uns also an.“
    Der Anblick der stolzen Mutter und der vier Winzlinge war herzzerreißend, doch hätte es für diesen Zuwachs keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben können. Elisabeth überlegte, wie sehr sie sich gestern noch für Ottilie und Hans gefreut hatte und wie nötig sie das tierliebe Hausmädchen heute hier gebraucht hätte.
    Was sollte sie tun? Für sie stand es außer Frage, die Abreise nochmals um fast zwei Monate zu verschieben, bis die Welpen groß genug waren und vermittelt werden konnten. Dabei spürte sie die bittenden Blicke der Kinder auf sich ruhen, wusste, dass sie sich genau diese Entscheidung von ihr wünschten, vor allem Deborah, die Biene unter großen Mühen mit der Flasche aufgezogen und ihr das Leben gerettet hatte.
    Doch Deutschland befand sich im Krieg und die Sicherheit der Kinder war jetzt das oberste Gebot. Elisabeth fühlte sich inzwischen viel zu ausgelaugt und müde, wusste um das Schwinden ihrer Kräfte und dass sie kaum mehr dazu imstande wäre, zwei weitere Monate auf der Bühne der Heuchelei zu bewältigen. Sie überlegte: Ihr Zug ging morgen erst nach drei Uhr nachmittags. Freising hin und zurück war vorher mit dem Taxi leicht zu schaffen.
    Darum sagte sie jetzt: „Es tut mir leid, ihr zwei. Aber es geht nicht anders. Morgen fahre ich ganz früh nach Freising und bringe Biene und die Kleinen zu Ottilie. Da werden sie es gut haben. Wir müssen fort aus Deutschland. Wir können nicht mehr warten. Bald wird es zu spät zu sein. Ihr müsst das verstehen, ja?“
    Sie sah, wie Deborahs Augen in dem traurigen See ihrer Tränen untergingen. Aber sie protestierte nicht und akzeptierte die Entscheidung ihrer Mutter - vielleicht, weil sie in ihrem Blick die Endgültigkeit erkannt hatte.
     
    Elisabeth kroch zurück in ihr Bett und fiel erst kurz vor Morgengrauen in einen unruhigen Schlaf.
    Elisabeth träumte. Barfuß irrte sie durch ein endloses Labyrinth aus schwarzem Eis. Immer, wenn sie dachte einen Ausweg gefunden zu haben, tat sich vor ihr eine noch höhere Mauer auf. Sie spürte, wie die Kälte von ihren Füßen aus immer höher kroch und sich langsam ihrem Herzen näherte. Elisabeth wusste, sobald sie ihr Herz erreicht haben würde, würde sie sterben. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg und hetzte immer weiter.
    Aber am Ende stellte sich ihr stets ein Mann in schwarzer Uniform in den Weg. Sein Kopf war nur ein Totenschädel. Er sprach ohne Lippen, aber amtlich:
    „Bedaure, gnädige Frau. Aber alle Ausgänge sind geschlossen.“

 
     

    Kapitel 2 8
     
     
    Es schien tatsächlich so, als hätte sich die ganze Welt gegen Elisabeth und ihre Pläne verschworen.
    Früh am nächsten Morgen, Elisabeth hatte sich gerade bereitgemacht für die knapp einstündige Taxi-Fahrt nach Freising, fuhr eine dunkle Mercedes-Limousine mit Naziwimpeln am Prinzregentenplatz 10 vor. Ihr entstieg einer von Hitlers Adjutanten.
    Höflich teilte er Frau Elisabeth Malpran mit, dass der Führer zurzeit in München weilte und erfahren hatte, dass sie gerade pausierte. Man erbat deshalb für den Abend ihre Präsenz nach Schloss Neuschwanstein, wo man einen kurzfristig angesetzten Wagner-Liederabend für den Führer austrug. Die Proben dafür hätten bereits begonnen. Er würde die gnädige Frau darum gleich mit nach Füssen nehmen, damit sie keine Umstände hatte. Kurz schoss Elisabeth durch den Kopf, warum der Mann nicht in Berlin war, wo er doch Krieg führte? Dann fiel ihr ein, dass sie auch gerade erst gelesen hatte, dass Göring angeblich Ferien an der Riviera machte. Der eine lud zum Wagner-Abend, der andere machte Ferien und in Polen starben Soldaten.
    Elisabeth blieb nichts anderes übrig, als dieser Aufforderung, die einem Befehl gleichkam, nachzukommen und ihre Kinder, plus neuerdings fünf Hunde, in Magdas Obhut zurückzulassen.
    Albrecht Brunnmann persönlich eilte ihr knapp zwei Stunden später zur Begrüßung im Schlosshof entgegen, um ihr den Türschlag zu öffnen. Er war charmant und zuvorkommend wie gewöhnlich. Durch nichts ließ er sich anmerken, dass Elisabeth seine

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