Honigtot (German Edition)
für das violette, schulterfreie Kleid entschieden. Eine absolut richtige Wahl - keine andere Farbe hätte es vermocht, den warmen Honigton ihrer Haut mehr zur Geltung zu bringen. Ebenso instinktiv hatte sie erfasst, dass diese Farbe sie älter wirken ließ als das mädchenhaft Cremefarbene mit den Puffärmeln.
In kaum erwachter Weiblichkeit hatte sie den Friseur gebeten, ihr eine Hochfrisur zu stecken, damit Albrechts kostbare Geschenke, die Perlenohrringe und die Kette, volle Beachtung erlangen würden. Die Frisur entblößte zudem die rührend zarte Linie ihres Halses und die Verletzlichkeit ihres Nackens.
Albrecht trug einen maßgeschneiderten Smoking und wirkte auf seine männliche Art ungemein attraktiv. Er erregte kaum weniger Aufsehen bei den anwesenden Damen im Saal als Deborah bei den Herren. Albrecht erwies sich ihr gegenüber als vollendeter Kavalier und behandelte sie wie eine echte Dame.
Er hob die verbotenen Schranken des Mädchens Deborah für diesen Abend auf und bestellte französischen Champagner, dazu Kaviar und später einen leichten Weißwein zu ihrem Loup de Mer mit mediterranem Gemüse.
Zum Nachtisch wurde eine Käseplatte mit sage und schreibe acht verschiedenen Sorten Brie serviert. Deborah hatte sie aus einer Laune heraus bestellt. Sonderbarerweise verspürte sie heute keine Lust auf Süßspeisen, sondern war in der Stimmung, Neues zu versuchen.
Zum Schluss tranken sie noch einen Mokka und Deborah ihren ersten Sherry - wie überhaupt vieles an diesem Abend für sie das erste Mal war. Albrecht unterhielt sich prächtig mit ihr und ihr bezauberndes Lachen perlte über den Tisch und fand das Echo in seinen Augen. Er erzählte ihr von den vielen europäischen Fürsten, wie der österreichischen Kaiserin Elisabeth und einem richtigen ägyptischen Kalifen, die beide schon als Gäste in diesem Hotel logiert hatten.
Er wusste der Musikbegeisterten überdies zu berichten, dass Richard Wagner anlässlich des Geburtstagsfestes seines Schwiegervaters, Franz Liszt, einst im Baur au Lac am Klavier musiziert und gesungen hatte. An jenem Tag hatte hier der erste Akt der Walküre vor Publikum Premiere gefeiert – vielleicht sogar an demselben Flügel, an dem der Pianist des Kammermusik-Ensembles saß, das die Gäste des heutigen Abends unterhielt.
Deborah war von dieser Geschichte fasziniert und auch schon ein wenig angeheitert von dem ungewohnten Alkohol. Er löste ihre Zunge und sie erzählte Albrecht, wie sie vor zwei Tagen hier im Hotel Franz Lehár kennengelernt hatte. Und dieser stand dann plötzlich wie herbeigerufen vor ihrem Tisch.
Der Komponist küsste Deborah galant die Hand und verneigte sich vor Albrecht, um ihm nach der gegenseitigen Vorstellung zu dieser begabten Tochter zu gratulieren, „ die mit ihrem wunderbaren Talent eine glorreiche Karriere als Sängerin vor sich hätte. “ Dann bat er Deborah, für die gesamte vornehme Abendgesellschaft zu singen.
Deborah suchte erst die Erlaubnis in Albrechts Augen, obwohl sie darauf brannte, der Bitte von Herrn Lehár nachzukommen. Ziererei oder Koketterie waren ihr für ihre Kunst fremd. Dennoch zögerte sie, weil sie bemerkt zu haben glaubte, bei ihrem Begleiter Unmut entdeckt zu haben, als Herr Lehár ihm zu seiner begabten Tochter gratuliert hatte. Aber Albrecht erwiderte, er freue sich sehr darauf, sie singen zu hören.
Herr Lehár war schon zu dem kleinen Musikensemble vorausgeeilt. Er dirigierte dann persönlich für Deborah, die sich für ihren ersten Auftritt vor Publikum die Violetta aus La Traviata ausgesucht hatte - die Lieblingsarie ihrer Mutter.
Nach Deborahs Darbietung empfing Albrecht voller Stolz die Glückwünsche der Gäste für seine Begleitung. Er schien den Applaus kaum weniger zu genießen als Deborah. Später am Abend tanzten sie zusammen. Albrecht erwies sich als ein ausgezeichneter Tänzer und führte die noch unsichere Deborah mit fester Hand. Deborah fragte ihn leise erstaunt, woher er so gut tanzen konnte - insgeheim fand sie, dass es eine Fertigkeit war, die sie nie mit ihm in Verbindung gebracht hätte. Albrecht verriet ihr, dass seine Mutter seine Lehrerin gewesen und gestorben sei, als er sechzehn war. Seine Stimme klang belegt und verriet immer noch Trauer über ihren Verlust. Deborahs Herz schmolz und sie fühlte sich ihm durch ihren eigenen Verlust noch näher.
Später, da waren sie schon zurück in ihrer Suite, lobte er Deborah, dass sie heute Abend in allem eine hervorragende Figur gemacht
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