Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2
Boden und kratzte sich am Kopf. »Meine Haare jucken. Ich brauch diesen Hut. Ich brauch diese Schuhe, die aus der Truhe. Und ich will dieses Kleid. Ich …« Sie hielt sich die Ohren zu, als das allmorgendliche Begrüßungsgelächter der Dorfbewohner erklang. »… Ich kann dieses Lachen nicht mehr ertragen«, fauchte Hannah gepeinigt. »Sie lächeln und lachen und lachen und lächeln.«
»Ja«, sagte Aweiku und trat in die Hütte. »Weil Lachen und Lächeln den Hass vertreibt. Den Hass und den Neid und das Schlimmste von allem: die Gier.« Sie ignorierte Hannahs feindseligen Blick und schaute Will in die Augen. »Es verbindet uns
alle und macht uns zu Freunden.« Sie trat auf ihn zu, doch er wich zurück. »Es macht uns zum guten Teil dieser Welt. Zum Teil ihrer Seele.« Sie schaute ihn an, vorwurfsvoll, tadelnd. »Das macht uns zu Menschen«, erklärte sie ihm. »Und wenn man das nicht ist, ist man ein Dieb, ein Lügner, einVerräter und Räuber, ja, und vor allem: ein Feigling.«
Will wurde rot, vor Scham, Wut und Zorn. Er konnte seine Gefühle nicht mehr unterscheiden.
Da hörte er Hannah. Sie klatschte Applaus. »Na, bravo, und du, kleine, humorlose Hexe, sollst uns jetzt vor der Hölle bewahren? Du sollst uns zum Lachen bringen? Da seh ich aber pechschwarz bis düster.«
»Und sag nicht noch einmal Feigling zu mir!« Will drohte dem Mädchen, doch die drehte sich um und verließ die Hütte.
»Ich sage es nicht mehr, sobald du keiner mehr bist«, sagte sie unbeeindruckt. »In einer Stunde erwarte ich euch am Ausgang des Dorfs.«
Hannah stand da und blickte ihr nach. Der Eindruck, den dieses erst 15-jährige Mädchen auf Will hinterließ, wollte ihr gar nicht gefallen. »Dafür wird sie bezahlen«, knurrte sie sauer. »Bist du dabei? Will, ich rede mit dir.Wir sind Piraten, nein, wir sind die besten Piraten der Welt. Wir ändern uns nie und wir werden erst recht nicht so werden wie sie. Nicht jetzt und nicht in zwei Wochen. Wir holen den Schatz! Den Schatz aus der Höhle! Versprichst du mir das?«, fragte sie Will. Und selbst als der nickte, als er ihr alles versprach, gab sie sich damit noch nicht zufrieden.
AWEIKU
D eutlich später als eine Stunde danach trotteten Hannah und Will durch das Dorf, und obwohl es ihnen dieses Mal vielleicht sogar recht gewesen wäre, stellte sich niemand in ihren Weg. Sie erreichten ungehindert den Ausgang der Siedlung und schauten sich um. Aweiku war nicht da. Jedenfalls konnten sie das Mädchen zunächst nicht sehen.
Da hörten sie die Stimme der Jaguarkriegerin direkt neben sich. »Ihr seid zu spät«, sagte sie vorwurfsvoll.
Danach war es still und Hannah, die kein Versteck ausmachen konnte, in dem sich das Mädchen verbarg, verdrehte die Augen. »Schwupps!«, lachte sie. »So schnell kann das gehen. Kaum ist man Teil dieser Welt, wird man unsichtbar.«
»Nein«, sagte Aweiku und stand hinter ihr, als hätte sie dort schon immer gestanden. »Man lebt nur in ihr und hinterlässt keine Spuren.« Damit ging sie los. Sie führte die beiden hinaus in die mit Bäumen und mannshohem Gras bewachsene Steppe des Kraters, und als sie nach ein paar hundert Metern in einen Dauerlauf überging, folgten Hannah und Will ihrem Beispiel. Sie rannten hinter dem Mädchen her, was ihre Laune nicht wirklich verbesserte, und als Aweiku ihr Tempo anzog, blieben sie irgendwann trotzig stehen.
»Das reicht«, schimpfte Hannah. »Du kannst mich mal, hörst du! Ich lass mich doch nicht ständig von dir verladen. Komm!«, wandte sie sich wütend an Will. »Wir kehren um.« Sie drehte sich um und marschierte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, zurück. Doch schon bei dem nächsten Baum, den sie erreichten, wurden sie von einem markerschütternden Fauchen begrüßt. Hannah und Will erstarrten zu Stein. Sie sahen den Panther, der auf der Astgabelung lag, und fassten sich unwillkürlich bei den Händen, als die über drei Meter lange Raubkatze vor ihnen auf den Boden sprang.
»Alles klar, ich verstehe«, flüsterte Honky Tonk Hannah. »Du bist unsere Nanny.« Sie wich ein, zwei Schritte zurück, zog Will dabei mit sich, und als die Katze fauchte und ihnen folgte, zischte sie: »Das Biest gehört ihr. Das ist ihr Kuscheltier.« Sie drehte sich um. »Es sagt uns: Die Schulstunde ist noch nicht vorbei. Und wir sind spät dran.Wir sollten uns lieber beeilen.«
Sie begann jetzt zu laufen, genauso wie Will, und als die Katze ein drittes Mal fauchte - oder war es ein Brüllen? -, rief er nur:
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