Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1
stell mir jetzt lieber was Schöneres vor.«
»Ja«, zischte Jo, »und zum Glück kannst du das auch. Meinetwegen kannst du an was Schöneres denken. Denn während dir die Krähen morgen die Augen auspicken werden, entkommen Rachel und Sarah mit deinem …«
»Nein! Sag das nicht!«, fiel ihm Will stöhnend ins Wort.
»Doch!«, sagte Jo. »Sie entkommen mit ihm. Mit deinem Schatz! Schatz! Schatz! Schatz!« Jo genoss, wie Will litt. »Und er macht sie glücklich.«
»Nein«, stöhnte Will und schloss seine Augen. »Das ist überhaupt kein schöner Gedanke. Da dreh ich mich lieber um und guck, was mein Galgen macht.«
Er holte tief Luft, ignorierte die Schmerzen, die ihm Beulen, Seil und Blutergüsse zufügten, und wälzte sich auf die andere Seite, wo die Zimmerleute des Königs gerade den 13. Galgen errichteten.
»Oh«, sagte er überrascht, als die schwarzen, mit Sporen versehenen Stiefel vor seiner Nase auftauchten.
»Was ist? Gefällt er dir nicht?«, fragte die dünne Stimme enttäuscht.
Will hob den Kopf. Er versuchte zu dem Mann im schwarzen Mantel hochzuschauen, doch als sein Blick die polierten Stiefelschäfte erreichte, schnürte ihm das Seil um seinen Hals die Luft ab. Will röchelte, fiel auf die kalten Steine zurück und als seine Augen wieder scharf sehen konnten, schaute er direkt auf die silberbeschlagenen Spitzen der Stiefel und das darin gleich doppelt eingravierte Emblem »BdT«.
»Ich hab dich nicht richtig verstanden«, sagte die Stimme mit dem französischen Akzent. »Gefällt er dir nicht?«
»Oh doch.« Will zwang sich zu einer deutlichen Antwort. »Er ist ganz nach meinem Geschmack, Err, ähm, … Err Belzebüb d umm T rottelliiieesch.«
Talleyrands Lippen wurden so dünn wie seine Stimme und Will, der das ahnte, konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen.
»Aber isch denkö, Ihr werdöt miesch meinö Schpaß noch verderbön.« Will kam dem Zorn des Barons zuvor und grinste zufrieden, als dessen Stiefelsporen klirrend auf der Stelle kehrtmachten und davonmarschierten. Doch die Freude des Jungen währte nur kurz. Im selben Augenblick hörte er Jos erschrockenen Schrei und dann wurde auch er von vier kräftigen Armen gepackt und in die Höhe gerissen.
»Huih!«, stieß er aus. »Das ging verdammt noch mal schnell.«
Aber dann nutzte er die paar Meter, auf denen ihn die Soldaten hinter sich herschleiften, um sich im Hof umzuschauen.
Die vier Toreinfahrten wurden bewacht. Vor jedem Fenster des Schlosses stand ein Soldat. Über ihm auf den Dächern patrouillierten Talleyrands vermummte Männer und die unzähligen Fackeln und Feuer erleuchteten alles taghell. So hell, dass die 13 Galgen in der Mitte des Hofes fast unwirklich schienen. Als hätte man sie gemalt.Will erkannte den verzweifelten Jungen vom Vortag, der wegen Kartoffeldiebstahls gehängt werden sollte. Er war zwei Jahre jünger als Will und der musste jetzt schlucken. Dann schloss er die Augen, als ihm das Bild durch den Kopf schoss, wie sein kleiner Freund Jo im Morgengrauen den Halt unter seinen Füßen verlieren und mit gefesselten Händen und Beinen hilflos am Galgen zappeln würde.
»Will? Will, ich hab Angst!« Er hörte Jos ängstliche Stimme und schaute dabei in die stummen Gesichter der zehn Männer und Frauen, die mit dem Jungen und sehr wahrscheinlich zusammen mit ihnen bei Morgengrauen gehängt werden sollten.
»Ich will noch nicht sterben!«, hörte er seinen verzweifelten Freund. Da blieb sein Blick an einem der zehn Verurteilten hängen. Besser gesagt: Der Blick dieses Kerls klebte an ihm.
Das aschblonde, knapp schulterlange, zu verfilzten Zöpfen geflochtene Haar hatte sich zu drei Vierteln aus der Spange in seinem Nacken gelöst und klebte jetzt fettig an den eingefallenen Wangen. Seine Augen waren dunkel und groß wie die eines Fantasten und sie lagen tief in den Höhlen. Seine Haut war von der Sonne verbrannt, der zolllange Bart wucherte um die aufgesprungenen Lippen und die formten jetzt - Will konnte es nicht glauben - den magischen Gruß: Hallo, Pirat!
Was willst du von mir?, dachte Will überrascht.
Doch da drückte man ihn zuerst auf die Knie und dann mit dem Kopf auf den Boden.
»Los! Auf die Knie und verbeugt euch vor Preußen!«, schimpften die Soldaten und einer trat ihm, damit er Preußen noch mehr Ehre erwies, mit dem Stiefel auf den Kopf.
»Und jetzt erhebt euch. Steht auf für den Geheimen Minister!«
Die Soldaten rissen Will und Jo hoch. Doch die Schnur, die von ihren
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