Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1
sie waren, Will Moses und Jo. Und als ein wütender Koch fünf Stockwerke über ihnen eine Ratte am Schwanz aus dem Fenster warf, erfuhr Jo auch, warum.
Er sah es nicht, nein, obwohl es direkt vor Moses passierte. Er wollte es nicht sehen, denn er hörte genug. Noch bevor die Ratte ins Wasser fiel, hörte er das Schlagen von Schwänzen. Das Schaben von schuppigen Körpern, die sich gegenseitig bekämpften, die Krallen in Flanken schlugen und sich mit ihren mächtigen Zähnen gegenseitig die Kiefer zerfetzten. Sie brüllten und fauchten und irgendwo in diesem grässlichen Gemetzel hörte Jo kurz noch den Schrei einer Ratte.
Dann war es still, ein bis zwei Herzschläge lang. Doch nach diesen zwei Herzschlägen setzte die Musik wieder ein. Das Tanzen, Johlen und Prügeln ging weiter und zum Schrecken von Jo raunte sein Freund: »Ho, ho, ho, auf zwei toten Mannes Kisten. Das ist meine Welt! Ja, Mo, du hast recht! Dagegen kackt Berlin ab wie ein Flitzfliegenschiss.«
»Ja.« Moses nickte. »Das kann ich verstehen. Aber vergiss bitte nicht: Hier ist jeder ein Dieb, und noch der Schlechteste, hörst du, ist besser als du. Zehnmal besser!« Mit diesen Worten sprang der Franzose von seinem Sarg auf einen Querbalken zwischen zwei Pfählen.
Sofort schnellten Leiber und Schwänze aus dem trüben Wasser heraus.
»Wir steigen aus.« Moses schluckte und legte sich mit dem Bauch auf den Balken. Er streckte den Arm aus, packte Jo am Kragen und zog den überraschten Kerl zwischen schnappenden Mäulern zu sich ins Gebälk.
»Hilfe!«, schrie Jo. »Will, hilf mir doch, bitte!« Er strampelte mit den Füßen über geifernden Zähnen, doch sein Freund sah nur Monster, schreckliche Biester, die aussahen, als hätte man Barrakudas mit Schlangen und Alligatoren gekreuzt.
»Wir steigen aus!«, rief Moses, als Will unter ihm hindurchtrieb. »Komm, Will, du kannst es. Du hast doch gesagt, dass es dir hier gefällt.«
Da stand Will endlich auf. Er stand auf dem Sarg zwischen Wellen aus Leibern, und als sich die ersten Schwänze der Biester um die Holzkiste wickelten, rannte er los. Zwei kurze, schnelle Schritte und dann sprang er vom Kopfende des Sarges, flog durch die Luft, hörte das Schnappen der Kiefer, die sich nach ihm reckten und streckten, schloss kurz die Augen, betete, flehte und erwischte nach einem drei Meter langen Flug durch die Luft Moses’ Hand.
»Yeah!«, jauchzte er. »Yeah! Das war gut.«
Er bekam mit der anderen Hand Moses’ Haare zu packen und zog sich an ihnen, während Kahiki vor Schmerzen schrie, auf den Querbalken hoch.
»Geht’s dir gut?«, grinste Will, packte Jo, der an der anderen Hand des Chevaliers hing, und hievte ihn auf dessen Rücken.
»Huh!«, stöhnte Moses, der noch immer mit dem Bauch auf dem Balken lag, und schnappte nach Luft. »Huh. Das war knapp!«, stöhnte er und dann musste er lachen. »Aber wir haben’s geschafft. Willkommen in New Nassau! Jo, das ist die schwimmende Stadt.«
Doch der kleine Kerl auf seinem Rücken konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er wirklich hier sein wollte. Er starrte aufs Wasser, das sich wieder beruhigte, und sagte zu Will: »Du hast mir versprochen, dass wir ab jetzt anders leben. In Ruhe und Frieden und ohne Gefahren!«
Er musterte Will und der wurde verlegen. »Hab ich das wirklich?«, fragte der Junge und kratzte sich hinter dem Ohr.
»Ja«, sagte Jo. »Und jetzt sagst du’s noch mal.«
»Wie? Bitte, was?«, fragte Will. Er wurde immer nervöser. Er kratzte sich hinter beiden Ohren gleichzeitig und dann noch die Nase. »Heißt das, dass du mir nicht mehr glaubst? Hey! Das ist nicht sehr freundlich. Das weißt du. Das ist nicht sehr nett.«
»Und ob ich das weiß«, fuhr ihm Jo über den Mund. »Ich will auch nicht nett sein, weißt du, und auch nicht sehr freundlich. Ich will, dass du’s einfach noch einmal sagst. Und das hier vor Zeugen.«
»Du meinst die Fische und Monster?«, fragte Will listig.
Doch das war zu viel. Jo wurde wütend.
»Mach dich nicht lustig!«, zischte er und hüpfte dabei auf Moses’ Rücken herum. »Ich meine ihn hier, Moses Kahiki. Er ist der Zeuge.«
»Oh, das ist nett«, seufzte der Chevalier, der unter ihm lag. »Aber müsst ihr euren Streit auf meinem Buckel austragen? Oder können wir das vielleicht ein bisschen vertagen? Das tut wirklich weh.«
»Und ob wir das können!«, rief Will erleichtert. Er sprang sofort auf. »Wir reden später darüber, Jo. Später, ja später.«
Und bevor ihm Jo
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