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Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Titel: Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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gewusst. Jay-Nice war schön und atemberaubend gewesen, fast so atemberaubend und schön wie Hannah. Und so wie er sich jetzt erinnerte, erinnerte sich auch der Schwarze Baron.
    »Es ist jetzt 30 Jahre her, vielleicht sogar länger. Ich war neun oder zehn Jahre alt und ich lebte mit meinem Vater im Norden von Frankreich. Irgendwo in einem kleinen Dorf zwischen Feldern und Wäldern nahe Verdun, und wie alle gehörten auch wir irgendeinem Baron. So wie der kleine Hof, den mein Vater für diesen Baron bewirtschaftete. Trotzdem waren wir glücklich. Mein Vater, meine Mutter, meine zwei Schwestern und ich. Ja, und das Jahr, in dem meine Geschichte beginnt, war ein besonders glückliches Jahr. Der Sommer war traumhaft und die Ernte versprach dieses Jahr besonders ertragreich zu werden. Weißt du, was das heißt? Einen Winter lang nicht hungern. Vielleicht Schuhe statt Lumpen, die man sich um die Füße wickelt. Und neue Kleider. Meine Schwestern und ich lagen jeden Tag vor den drei Feldern, die wir alle gemeinsam bewirtschafteten, und sahen dem Getreide beim Wachsen zu. Ich hatte in diesem Frühjahr zum ersten Mal den Pflug führen dürfen, und Isabelle und Lucille, die gerade mal vier waren, hatten das Getreide in die Furche gelegt. Jedes Korn einzeln, als wäre es aus Gold. Und wir waren alle drei ganz fest davon überzeugt, dass wir für die kommende Rekordernte verantwortlich waren.«
    Er machte eine Pause, nahm das Messer vom Tisch, spießte einen Butterwürfel auf und strich ihn aufs Brot.
    »Das musst du probieren. Das habe ich selbst gebacken. Ich hab es gemacht, obwohl uns das Feuer dafür den Sauerstoff für mindestens einen halben Tag geraubt hat. Wir müssen also spätestens bei Sonnenaufgang, das heißt, in vier Stunden hier raus. Sonst werden wir ersticken.«
    Will erschrak, und für einen Moment dachte er wirklich, er bekäme keine Luft.
    »Na, komm schon. Vier Stunden sind eine Ewigkeit. Und das Brot schmeckt wirklich einzigartig. Es ist genau so, wie es meine Mutter immer für uns gebacken hat.«
    Er biss ein Stück des weichen Weißbrotes ab, und als Will seinem Beispiel folgte, vergaß er augenblicklich die Situation, in der er sich befand. Talleyrand hatte recht: das war wirklich das beste Brot der Welt, und sein Geschmack erlaubte es dem Wein, sich danach wie eine Seerosenblüte bei Sonnenaufgang zu entfalten.
    »Genau davon haben meine Schwestern und ich geträumt, wenn wir im Gras lagen und auf die Felder schauten. Von diesem Geschmack. Und als wir zwei Tage vor der ersehnten Ernte die bunten Livreen sahen, die mit vergoldeten Kutschen durch unsere Felder fuhren, dachten wir alle, wir wären im Himmel. Am Abend erzählte uns unsere Mutter Geschichten von Elfen und Feen und wir schliefen glücklich in unserem Bett. Die Füße meiner Schwestern kitzelten mich manchmal am Bauch und das ist meine letzte Erinnerung an diese wunderbar glückliche Zeit.
    Die Männer des Königs rissen uns in dieser Nacht aus dem Schlaf und trieben uns, unsere Eltern und die Familien der anderen Gehöfte zum Schloss dieses besagten namenlosen Barons. Ich hatte ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen und das sollte auch so bleiben. Man drückte uns Weidenruten in die Hand und befahl uns, das Wasser des Schlossteichs zu peitschen, damit die Frösche nicht quakten und der König und sein Gefolge ausschlafen konnten. Und die schliefen bis abends, feierten dann die Nächte durch und schliefen tagsüber wieder. Wir peitschten das Wasser und dachten dabei an die Ernte, die längst überfällig war. Das Getreide verdorrte auf den Feldern, doch man ließ uns nicht gehen. Zwei, drei, vier, fünf lange Tage durften wir nichts anderes tun, als das Wasser zu peitschen, und als in der Nacht zum sechsten Tag die Männer auf ihre Felder flohen, wurden drei von ihnen gehängt. Zwei Tage später zog ein Gewitter auf, und als man uns in diesem Unwetter nach Hause schickte, war alles verloren. Der Regen ertränkte den kläglichen Rest, der von unserer Ernte noch übrig war, und im darauffolgenden Winter gab es weder Schuhe noch Kleider. Es gab Hunger und Krankheit und im Frühjahr waren mein Vater und ich allein.«
    Er musterte Will und bestrich dabei ein zweites Stück Brot.
    »Ist das keine herzergreifende Geschichte? Tja, damals als 10jähriger Junge wusste ich nicht, dass es Tausenden Menschen genauso erging, und weil mein Vater auch nicht klüger war, bin ich ihm im nächsten Sommer gefolgt.«
    Er biss vom Brot ab und

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