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Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Titel: Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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und spürte, wie sein Herz dabei pochte. Sein Blut schien plötzlich rückwärts zu fließen. Ihm wurde schwindelig, er verlor das Bewusstsein und wäre – hätte Talleyrand ihn nicht im letzten Moment zu fassen gekriegt – um ein Haar aus der Kutsche in den Schnee gefallen.

Wo die Welt einmal andersrum war

    o beobachtete, wie die Kutsche ins Schloss zurückkehrte. Er sah die Eskorte, die vermummten Soldaten und wie Talleyrand den immer noch von Schwindelgefühlen geplagten Will die Treppe hochführte. Er sah die festliche Kleidung, die sein Freund trug, und er sah Eulenfels, den Tyrannen, dem Will jetzt tatsächlich zu dienen schien.
    Das zerriss Jos treues Herz. Die Hexe hatte die Wahrheit gesagt. Will war ein Verräter. Jo sackte kraftlos in sich zusammen. Er rutschte mit dem Rücken an der Säule, die den Fensterbogen begrenzte, hinab, bis er auf der schmalen Fensterbank hockte. Hier hatte er so oft mit Will gesessen. Hier, in ihrem Tortuga, ihrem Piratenversteck, dem kleinen Turm auf der Spitze der Domkuppel gegenüber dem Schloss. Hier hatten sie gelebt und von der Freiheit geträumt, und jetzt war Jo hier, um Will zu töten.
    »Vergiss das nicht!«, erinnerte er sich an die Stimme der Hexe. Sie lallte und krächzte und überschlug sich vor Wut: »Ich lasse dich leben, damit er stirbt.«
    Die Tränen kullerten aus seinen Augen. Jo war kein Killer, und trotzdem malte er den Schwarzen Punkt, das alte Piratensymbol für Verräter, auf ein Stück Pergament, rollte es langsam, aber entschlossen zusammen, steckte es in die von ihm selbst kunstvoll bemalte Flasche und verschloss diese mit Wachs. Er wartete, bis es dunkel wurde. Dann verließ er den Turm, huschte über den Platz zwischen Dom und Schloss, stieg dort über die Fassade hinauf aufs Dach des großen Gebäudes und balancierte über die Träger der Glaskuppel, bis er sich direkt über Wills Bett befand. Dort schnitt er ein Loch in das schmutzige Glas und ließ die Flasche an einer Schnur hinab, sodass sie knapp über Wills Nase baumelte.
    »Das«, sagte er leise, »ist deine letzte Chance. Du wärst eigentlich tot.«
    Er schniefte, und eine Träne fiel durch das Loch am Faden entlang und platschte Will im Bett auf die Nase.
    »Jo!«, lächelte der und träumte weiter. »Schön, dass du da bist. Ich hab dich vermisst.«
    Doch Jo hörte das nicht. Er sah nur, wie Will sich genussvoll streckte und dann zufrieden weiterschlief. Traurig verließ er die gläserne Kuppel und kehrte in sein Versteck zurück.
    Will schlief bis Mittag. Das heißt, er brauchte bis Mittag, um wach zu werden. Denn der Traum, den er seit dem Morgen träumte, war viel zu schön, um ihn zu verlassen. Er lag mit Hannah, Moses und Jo in der großen Hängematte an Bord des Fliegenden Rochens und schrieb mit ihnen zusammen ein neues Kapitel in ihr inzwischen auf der ganzen Welt berühmtes und von Will erfundenes Flaschenposttagebuch. Will wusste nicht mehr, wovon es handelte. Das war auch nicht wichtig. Wichtig und schön war nur das Gefühl, mit den Freunden zusammen an dem Ort zu sein, an den sie gehörten, an dem sie sich wohlfühlten und wo sie ihr Leben verbringen wollten.
    Doch als der Morgen zum Mittag wurde, drängten immer mehr Erinnerungen in seinen Traum, die er eigentlich schon vergessen hatte. Nein, die er vergessen wollte. Er musste seinen Traum vor ihnen beschützen. Doch der Kampf war vergeblich. Der wimmernde Gagga und sein geschundener Rücken, die Fliegenden Krieger mit ihren Kindergesichtern und den Haifischaugen darin ließen sich einfach nicht mehr vertreiben. Talleyrands Kopf schwebte über seinem Bett und Eulenfels’ Stimme rieselte wie zermahlene Kreide in seine Ohren.
    »Wer ist das Gegenteil von Freiheit? Komm, sag es mir, Will«, so entlockte Eulenfels ihm das ungeheure Bekenntnis, das sein Herz stocken ließ und ihm das Blut aus den Adern sog.
    Will bäumte sich auf. »Nein!«, schrie er. »Nein!«
    Doch die Hände, die ihn hielten, drückten ihn erbarmungslos in die Kissen zurück.
    »Sei bitte still!«, warnte ihn der Baron. »Werd jetzt nicht schwach. Ich flehe dich an. Sonst …«
    Will entdeckte den Fliegenden Hund hinter Talleyrand in der Tür, wo er unvermummt stand und sie beobachtete. Es war sein Freund. Der Kerl mit Hannahs Nase und den abstehenden Ohren der Töchter von Feuerkopf Finn.
    »Sonst …« Der Schwarze Baron schluckte.
    »Sonst muss mein Rücken dafür büßen«, hauchte Will und spürte, wie ihm dabei der kalte Angstschweiß

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