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Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Titel: Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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er bereits beschlossen hatte, ein ganzes Drittel des Katastrophengebiets abzuschreiben und dort nicht nach Überlebenden suchen zu lassen. Und vor allem, fügte sie mit beißender Selbstkritik hinzu, konnte sie sein Verhalten nun nicht mehr dulden, weil ihr bewusst geworden war, dass sie sich selbst im Weg gestanden hatte: Durch ihre Überlegungen und die Beschäftigung mit ihrer persönlichen Situation hatte sie nicht begriffen, was Novaya Tyumen eigentlich tat.
    »Sie sprachen von den Anfängerhängen, Major?«, fragte sie Berczi.
    »Jawohl.« Berczi nahm die Augen nicht von Honors Gesicht. »Als die Lawine begann, waren meines Wissens sechs Kabinen den Berg hinauf unterwegs. Davon ist eine, und zwar die, die am weitesten oben war, als es geschah, dort hinten gefunden worden.« Sie wies auf eine Stelle etwa fünfhundert Meter jenseits der Ruine des Liftturms, der nur noch als Stumpf aus dem Schnee ragte. »Die meisten Passagiere waren Kinder, ein Drittel ist gestorben.« Sie schluckte und atmete tief durch. »Ich bin hier auf einem Schulausflug. Ich arbeite jetzt als Lehrerin, Commander. Wenigstens fünf weitere Liftkabinen waren zu den Anfängerhängen unterwegs. In einer davon waren zwei von meinen Kindern und etwa zwanzig weitere Menschen.« Sie drehte sich Honor ganz zu. »Als ob das nicht schlimm genug wäre, befinden ihre Eltern sich bereits an Bord eines Schiffes, das sich vom Einhorn-Gürtel Gryphon nähert. Ich weiß noch keine ETA, aber es kann sich nur noch um Stunden handeln, bis sie hier sind. Stellen Sie sich nur vor, Commander, die Eltern kommen an und müssen feststellen, dass der hirnrissige Arsch, der hier das Kommando hat, es noch nicht einmal für nötig befunden hat, irgendjemanden nach ihren Kindern suchen zu lassen …«
    Berczi verstummte und sah sie starr und flehentlich an. Honor nickte bedächtig. Sie begriff die Verzweiflung der Lehrerin sehr gut. Möglicherweise trieb noch etwas anderes sie an, eine persönliche Zuneigung zu einem oder beiden dieser Schüler. Jawohl, für Honor stand es fest, dass es so war, aber das machte Berczis Beweggründe nicht weniger stichhaltig – im Gegenteil. Honor bewunderte sie für die Entschlossenheit, mit der sie handelte.
    »Verstehe, Major«, sagte sie und zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln. »Ich verstehe sehr gut. Dann müssen wir wohl dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt, oder?«
     
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, Ranjit«, sagte Susan kläglich. Sie verabscheute sich dafür, ihre Zweifel eingestehen zu müssen – wobei es schlimmer war, sie vor sich selbst zuzugeben, als vor ihrem Bruder –, aber was blieb ihr übrig? Sie kniete auf dem Boden der Liftkabine und spähte durch die verzogene Öffnung, die einmal der Rahmen eines Crystoplastfensters gewesen war. Das Loch, dass sie mit einem abgebrochenen Skistock in den Schnee gekratzt hatte, starrte sie unheilverkündend an.
    »Natürlich macht es dir Angst, Sooze«, sagte Ranjit, der darum kämpfte, sich die zunehmende Schwäche und seine immer heftiger werdenden Schmerzen nicht anmerken zu lassen. »Aber anders kommen wir nicht raus, und wir können einfach nicht darauf warten, dass sie uns finden.« Er konnte sich beherrschen und verzichtete darauf, › falls sie uns finden‹ hinzuzufügen, doch als sie das Gesicht von ihm abwandte, wusste er, sie hatte das Unausgesprochene gehört.
    »Das weiß ich ja«, sagte Susan, und ihr gelang ein schwaches Lächeln. »Ich wünschte nur, ich wüsste, wie verdammt tief wir eigentlich sind.«
    »Ja, das möchte ich auch gern wissen.« Er versuchte, ihr Lächeln zu erwidern, während ihm das Herz überging angesichts des Mutes, an den sie sich mit beiden Händen festklammerte.
    »Naja, wenigstens ist der Schnee nicht so fest gepackt, wie ich befürchtet hatte«, seufzte sie. Sie blieb noch einen Moment lang knien und rief mit lauterer Stimme: »Andrea?«
    »Ja?«, fragte das ältere Mädchen aus dem Halbdunkel.
    »Du passt mir gut auf Ranjit auf, solange ich weg bin, hörst du?«, rief Susan und versuchte, den Bruder noch einmal anzulächeln. »Er ist zwar ein Trottel, aber irgendwie mag ich ihn.«
    »Ich gebe mein Bestes«, versprach Andrea, und Ranjit kämpfte mit den Tränen, als Susan ihm zunickte.
    »Ich bin so bald wieder da, wie ich kann«, sagte sie leise, dann kletterte sie zum Fenster hinaus. Den Skistock nahm sie mit. Sie schob sich in das Loch, das sie gegraben hatte, und als Ranjit den Kopf so weit drehte, wie er konnte,

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