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Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Titel: Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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des hellen Lichtkreises hinter sich ließ. Nervöse Furcht jagte ihm einen Schauder über den Rücken, aber er traute Fisher vorbehaltlos. Sein Gefährte hatte sich dieses Vertrauen im Laufe ihrer ungewöhnlichen Freundschaft vielfach verdient.
    Nach einer Weile entdeckte er ein schwaches Leuchten unter den Bäumen und begriff voll Erstaunen, dass gleich vor ihm ein kleines Feuer brannte. Als er befangen näher trat, hörte er altes Laub und Reisig knistern. Unverwechselbar roch die ruhige Frühlingsluft nach Feuerrauch. Dann hatte er sich an das Zwielicht gewöhnt und machte kleine Gestalten aus, die sich um das Lagerfeuer geschart hatten. Scott entnahm ihrer Körperhaltung, ihrer Aufstellung und dem Gefühl, das er über Fisher empfing, dass diese Zusammenkunft höchst offizieller Natur war und ein strenges Protokoll befolgte. Er schluckte heftig und fragte sich, was er tun sollte. Ich bin kein Xenologe! Was, wenn ich es vermassele und einen hohen Würdenträger der Baumkatzen tödlich beleidige? Die Xenologen hatten noch nichts über die familiären und gesellschaftlichen Verhältnisse bei den Baumkatzen herausgefunden, und die politischen Strukturen waren erst recht ein Buch mit sieben Siegeln.
    Einen kurzen, lähmenden Moment lang bedauerte Scott, weder eine Kamera noch irgendein anderes Gerät dabeizuhaben, das ihm wenigstens eine einfache Tonaufzeichnung erlaubt hätte. Andererseits meldete sich nun stärker denn je dieser seltsame Instinkt und riet ihm, er solle alles, was er über die Baumkatzen erführe, unbedingt für sich behalten. Leichtfüßig sprang Fisher zu Boden, und der Streuner schob sich in den Ästen über Scott aus der Dunkelheit. Scott begriff, dass die Ratssitzung – oder worum es sich nun genau handelte – bereits in vollem Gange war. Fisher und der Streuner begaben sich durch Reihen großer, eindeutig männlicher Baumkatzen zum Feuer und traten vor eine viel kleinere, schlankere Baumkatze. Sie schienen sie beide voll Demut zu grüßen. Scott musterte die kleinwüchsige Baumkatze genauer und verwünschte das schwache Licht. Im rötlichen Feuerschein kam es ihm vor, als sei ihr Fell dunkler und bräunlicher gefleckt als bei Fisher. Ein Weibchen? , überlegte Scott. Die anderen ‘Katzen behandelten sie sichtlich mit Achtung, und Scott empfing das deutliche Gefühl, dass jeder einzelne anwesende Baumkater sie mit seinem Leben beschützt hätte.
    Wünschten die Baumkatzen Scotts Anwesenheit etwa, weil er von allen Menschen auf Sphinx ihre Emotionen am genausten wahrnahm? Zumindest hatte Scott immer angenommen, niemand verstehe sie besser als er. Endlich erschien Scott sein ungewolltes seherisches Erbe als Vorzug und nicht als peinliche Last, die es um jeden Preis vor Freunden, Kollegen und Bekannten zu verbergen galt. Wenn die Baumkatzen auf telempathische Weise verständigen, dann bin ich wohl wirklich nicht die schlechteste Wahl als Botschafter? Dieser Gedanke flößte ihm ein wenig Mut ein, aber er krümmte sich schon innerlich bei der Vorstellung, jemandem mitteilen zu müssen, was er an diesem Ratsfeuer erspürt. Am besten halte ich den Mund und mache mir selber einen Reim darauf, anstatt zu riskieren, irgendeinen Xenologen von Außerwelt einzuweihen. ›Ja, und dann hab ich also die Gefühle von den Baumkatzen gelesen, wissen Sie, wie so ‘n Medium eben, nicht wahr …‹ Nein, das kam überhaupt nicht infrage. Was immer die Baumkatzen ihm hier mitzuteilen hatten – er war auf sich allein gestellt.
    Noch ein halbes Dutzend Schritt trennten Scott von dem niedrigen, knisternden Feuer, als Fisher sich umdrehte und zu ihm zurückeilte. »Bliek?« Der Baumkater setzte sich auf das hinterste Beinpaar und wirkte wie ein übergroßer terranischer Präriehund.
    Dann packte er Scotts Finger. »Bliek?« Der Baumkater zog ihn näher ans Feuer.
    »Okay.« Scott ließ sich willig weiterschleifen. Der Blick der kleineren Baumkatze erschien ihm unheimlich. Auch ihre Augen waren grün, aber dunkler getönt; die Farbe erinnerte eher an Fichtennadeln als an Grashalme. Scott überragte sie wie ein Riese aus der Sage. Ein Fetzen aus der Vorlesung Grundlagen der Psychologie I fiel ihm ein, und rasch ließ er sich im Schneidersitz vor ihr nieder, sodass er dem kleinen Geschöpf auf der anderen Seite des Feuers weniger bedrohlich erschien. »Hallo«, sagte er.
    Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn ernst. »Bliek.«
    Eine feine Stimme, so rein wie Silberglöckchen. Scott lächelte unwillkürlich.

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