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Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Titel: Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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fester Wille leuchtete in ihren tiefgrünen Augen, für den der Verfall eines gebrechlichen Leibes nicht mehr als eine Unbequemlichkeit bedeutete.
    Also, junger Traumjäger , sagte sie. Wie du sagst, bist du gekommen, um meinen Rat zu suchen. Was kann ich alte Künderin der Sagen für dich tun?
    Ich … begann er und verstummte. Wieder überfiel ihn das Gefühl, eine Tollkühnheit zu begehen. Er war noch ein Jüngling, dem erst vor einer halben Jahreszeit von den Ältesten seine Stimme zugestanden worden war, im Rat des Clans der Tänzer auf Roten Blättern, und wie Sang-Weberin betont hatte, erwuchs ihm daraus längst kein Recht, die einstimmige Entscheidung genau dieser Ältesten anzuzweifeln.
    Im nächsten Augenblick wollte er sich wieder nur umdrehen und den Heimweg antreten. Hinterfragte er die Entscheidungen der Ältesten, stellte er seinen Clan bloß und offenbarte seinen jugendlichen Mangel an Reife. Dann aber dachte er an die Lieder über Klettert-flink und daran, wie Singt-wahrhaftig zur obersten Sagen-Künderin des Clans vom Hellen Wasser geworden war. Mit dieser Erinnerung kehrte auch seine Entschlossenheit zurück. Wenn auf der Welt jemand verstehen konnte, wie man dazu kam, gegen Verbote aufzubegehren, dann Singt-wahrhaftig!
    Ich bin gekommen, um dich um Beistand zu bitten, o Sagen-Künderin , sagte er mit einer Würde, die ihn selbst ein wenig überraschte.
    Um Beistand , wiederholte Singt-wahrhaftig, und ihre vom Alter stumpfen Schnurrhaare erbebten, denn bittersüße Erinnerungen überfielen sie. Schon einmal hat ein Kundschafter um Beistand gebeten , sagte sie zu Traum-Sucher. Ich gewährte ihn – und an meiner Gabe wäre er beinah gestorben. Am Ende ist er tatsächlich daran zugrunde gegangen. Verlangst du etwa von mir, dass ich solchen Beistand noch einmal leiste?
    Ja, darum bitte ich dich , antwortete Traum-Sucher, und diesmal plagten ihn weder Bedenken noch Selbstzweifel. Er blickte ihr in die Augen, gab ihr seine Aufrichtigkeit zu schmecken, und sie seufzte.
    Deine Ältesten haben Recht, Traum-Sucher , beschied sie ihn endlich. Du bist noch zu jung. Geh heim. Warte ab. Lebe, bevor du der Dunkelheit entgegeneilst.
    Das kann ich nicht , entgegnete er schlicht. Ich habe den Liedern gelauscht, o Sagen-Künderin, und ich schmecke darin das Geistesleuchten der Zwei-Beine, als wäre es ein Feuer in einer verschneiten Nacht, in der ein bitterkalter Wind geht. Es spukt durch meine Träume, und ich sehne mich so sehr danach, seinen Geschmack kennen zu lernen – es mir zu eigen zu machen und mich ihm hinzugeben. Und ich möchte mehr über die Welten der Zwei-Beine erfahren, ihre Werkzeuge, ihre Wundertaten. Dieses Verlangen ist unstillbar, und ich kann es weder zurückweisen noch mich davon abwenden.
    Doch wenn du dieses Verlangen stillst, bedeutet es deinen Tod , sagte sie leise, und als er etwas erwidern wollte, gebot sie ihm mit einem Zucken der Schwanzspitze Schweigen. Kein sofortiger Tod, kleiner Bruder, o nein. Aber die Menschen – denn so und nicht ›Zwei-Beine‹ nennen sie sich selbst – leben viel kürzer als wir, und wer das Band zu ihnen knüpft … Ihre Geistesstimme verebbte, und in ihrem Geistesleuchten schmeckte er eine komplexe Mischung, legiert aus Trauer, Schuld und Verlust.
    Ich wusste nicht, wie kurzlebig sie sind, als Klettert-flink den Bund mit Todesrachen-Verderb einging , gab sie dann so leise zu, dass er sich fragte, ob sie es jemals zuvor eingestanden habe. Todesrachen-Verderb war noch so jung, für ihre Art noch ein Kätzchen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass sie nur so kurze Zeit leben würde! Obwohl sie für einen Menschen ein hohes Alter erreichte, Traum-Sucher, währte es doch keine achtzehn Spannen, und als sie starb, entschied Klettert-flink sich, ihr ins Dunkel zu folgen. Die Sagen-Künderin sah ihren jungen Gast fest und weich zugleich in die Augen. Ein Stück von meinem Herzen starb mit ihm, kleiner Bruder. Er war mein jüngster Bruder und stammte aus dem letzten Wurf meiner Eltern. Ich habe ihn geliebt – vielleicht zu sehr, denn bis heute weiß ich nicht, ob ich ihm beigestanden habe, weil meine Vernunft es mir riet, oder weil die Schwesterliebe mir keine Wahl ließ. Aber eins weiß ich wohl, Jüngling: Er hätte nicht so bald verscheiden dürfen, er hätte noch achtzehn weitere Spannen erleben müssen. Erlangst du, was du dir wünschst, wirst du noch jünger heimgehen als er, denn als sie den Bund eingingen, war er drei Spannen älter als du. Unter den

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