Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
hatte – vornehmlich den unteren Schichten entstammten.
Die Zusicherung, dass die Mittel ihm verdeckt zugespielt werden würden, machte Bairds Angebot besonders verlockend. Zwar verbot kein Gesetz Spenden im Allgemeinen – jedes derartige Verbot wäre als Einschränkung der Redefreiheit verstanden worden –, aber es war traditionell üblich, sämtliche Spender zu nennen. Bei allen Wahlen, die über die Grenzen eines Guts hinausgingen, verlangte das Schwert eine Offenlegung der Geldquellen, also auch bei den anstehenden Wahlen zum Konklave der Siedler, der Zweiten Kammer der planetaren Regierung.
Daraus erwuchsen der sich allmählich konsolidierenden Opposition einige tiefgreifende Probleme. In der Ersten Kammer, dem Konklave der Gutsherrn, bildeten die Konservativen die stärkste Fraktion, denn man verteidigte schon aus Prinzip die eigene Machtstellung und die althergebrachten Vorrechte starrsinnig gegen die Einmischung des Schwertes. Im Konklave der Siedler war es umgekehrt. Vor der Mayhew-Restauration war die Zweite Kammer durch den ständig zunehmenden Einfluss der großen Schlüsselträger zur völligen Bedeutungslosigkeit verkommen. Die meisten Abgeordneten, durch die Erneuerung der geschriebenen Verfassung wieder der Ersten Kammer gleichgestellt, hingen Mayhew treu an, auch wenn sie seine Reformen mit gemischten Gefühlen betrachteten. Im Konklave der Siedler benötigte die Opposition einen Zugewinn an Sitzen am dringendsten – und dort würden offene Wahlkampfspenden aus konservativen Quellen einem Kandidaten am meisten schaden.
Aber es brauchte schließlich niemand zu erfahren, woher das Geld für diese Spenden gekommen war …
»Dieser Vorschlag klingt in der Tat höchst interessant, Mr. Baird«, sagte Mueller schließlich. »Es ist traurig aber wahr, dass auch gottgefälliges Werk auf regelmäßige Finanzspritzen angewiesen ist. Sämtliche Beiträge wären uns selbstverständlich willkommen, und gewiss würden wir uns einig werden, wie wir ihre großzügige Unterstützung auf zurückhaltende Weise entgegennehmen. Aber haben Sie nicht auch von Informationsquellen und Wahlkampfhilfe gesprochen?«
Baird nickte, und Mueller lehnte sich zurück.
»In diesem Falle sollten wir noch ein wenig eingehender darüber sprechen, meine Herren. Was wäre zum Beispiel …«
Mehrere Stunden später führte Sergeant Samuel Hughes von der Garde des Guts Mueller die Herren Baird und Kennedy aus dem Büro seines Gutsherrn und brachte sie zur Tür des uralten, ausgedehnten Steingebäudes von Mueller House. Während er in Muellers Büro Wache gestanden hatte, war ihm kein Wort über die Lippen gekommen, und er schwieg auch jetzt – Sergeant Hughes war ein wortkarger Mann. Die Subminiaturkamera, die im obersten Knopf seiner Uniformjacke verborgen war, hatte das ernste Gespräch der beiden Besucher mit Lord Mueller komplett aufgezeichnet.
Lord Mueller ahnte nichts davon, und so sollte es bleiben, bis Hughes das Material gesammelt hatte, auf das er aus war.
An diesem Vormittag war leider nichts wirklich Illegales besprochen worden. Erst wenn eine Wahlkampfspende den Besitzer wechselte, ohne dass ihre Quelle offen gelegt worden wäre, konnte man von einer Straftat sprechen. Aus dem Treffen in Muellers Büro konnte man nicht mehr als eine Verurteilung wegen Verschwörung herausschlagen, doch selbst mit dem Bild- und Tonmaterial der Kamera hätte ein Staatsanwalt in einem ordentlichen Prozess nur wenig Chancen besessen, gegen einen Gutsherrn einen Schuldspruch wegen Verschwörung zu erwirken.
Ein enttäuschendes Ergebnis eigentlich, doch Hughes empfand es anders: Er witterte eine Gelegenheit. Zum ersten Mal hatte er erlebt, dass eine fremde Organisation den Kontakt zu Mueller suchte und nicht nur ein irrsinniger Einzelgänger oder eine kleine Gruppe von Verrückten. Bislang war es stets andersherum gewesen; Mueller hatte sehr behutsam potenzielle Verbündete seiner Wahl sondiert. Darin lag eine der größten Stärken des Gutsherrn: Er hatte seine eigenen Kontakte und Bündnisse geknüpft wie eine Spinne ihr Netz; vorsichtig und kunstvoll hatte er jeden einzelnen Faden gesponnen; stets hatte er sich vorher überzeugt, ob das Gespinst die Last tragen konnte, die er ihr anvertraute.
Wenn er nun aber das Angebot Bairds und Kennedys annahm – und es sah ganz danach aus –, dann hätte er jemand Unbekanntem den Zutritt in sein Netz gestattet. Dieses Unbekannte würde eigene Fäden spannen, ob er nun wollte oder nicht.
Weitere Kostenlose Bücher