Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Öffentliche Sicherheit eine sehr unangenehme Überraschung.«
Honor nickte verstehend, ohne den Blick von dem Schiff zu nehmen, das auf sie wartete. Zwischen dem fertig gestellten Superdreadnought und den Konstruktionsentwürfen, die sie gesehen hatte, bestanden nicht viele Unterschiede. Sie empfand einen eigenartigen Schöpferstolz, als sie das Konzept in die Tat umgesetzt vor sich sah, über das sie und ihre Kameraden beim WDB so heiß debattiert hatten.
»Nur noch eins«, fuhr White Haven so leise fort, dass selbst LaFollet und Robards ihn nicht hören konnten, und Honor wandte sich ihm zu. »Dieser Superdreadnought und seine Schwesterschiffe in graysonitischen Diensten sind ausnahmslos in der von Ihnen finanzierten Blackbird-Werft gefertigt worden, Mylady. In sehr reellem Sinn sind Sie also Kielplatteneignerin von all diesen Schiffen. Auch aus diesem Grund fanden wir es passend, dass gerade dieses Schiff Sie nach Hause zurückbringt.«
Honor sah ihm in die Augen und nickte wieder.
»Danke, dass Sie mir das sagen, Mylord«, entgegnete sie ebenso leise wie er.
Noch während sie sprach, durchlief ein leichtes Zittern die Pinasse. Jeder halbwegs erfahrene Raumfahrer wusste, was dieses Zeichen zu bedeuten hatte: Die Andock-Traktorstrahler hatten das Beiboot erfasst. Der Superdreadnought war nun kein Schiff mehr, das man durch das Fenster beobachtete; es war eine gewaltige, sich endlos erstreckende Fläche aus Stahl und Waffen, die das Fenster völlig ausfüllte und in Megatonnen maßender Würde auf die winzige Pinasse wartete, die sich vor ihrem erhellten Beiboothangar ausnahm wie eine Elritze vor dem Bauch des weißen Wals.
Mit pedantischer Präzision richteten die Traktorstrahler die Pinasse aus, bevor sie sie auf das Andockgerüst setzten. Honor merkte, dass sie schneller atmete und ihr das Auge tränte, während sie durch die Armoplastwand auf die Hangargalerie blickte. Die massierten Reihen aus graysonitischem Blau-in-Blau, in das sich hier und dort das Weltraumschwarz-Gold eines Manticoraners mischte, der zum Dienst in der Navy des Verbündeten abgestellt war, weckte in ihr ein plötzliches, fast unerträgliches Heimweh. Selbst auf diese Entfernung spürte sie den wilden, frohlockenden Puls der Emotionen, welche von den Männern und Frauen ausgingen.
Wie seltsam, überlegte sie. Sie war wahrhaftig zu einer Frau zweier Welten geworden. Kind der kühlen, majestätischen Gebirge von Sphinx war sie immer gewesen und würde es immer bleiben, doch nun war sie auch eine Grayson. Ihr hatte sich etwas mitgeteilt von dieser Welt, die manchmal rückständig und nervenaufreibend erschien: etwas von der fast Furcht erregenden Tatkraft, der heißblütigen Direktheit, mit der die Graysons Treue bewahrten oder Feindschaft empfanden. Sie verstand diese Menschen nach all den Jahren besser, und vielleicht war es unumgänglich gewesen, dass sie diese Entwicklung durchschritt. Sosehr die Graysons sich äußerlich auch von Honor unterschieden, in einem hatten sie einander immer geglichen:
Im Umgang mit der Verantwortung. Weder Honor noch die Graysons hatten je schnell genug laufen gelernt, um sich der Verantwortung zu entziehen. Selbst jene Graysons, die Honor am meisten für die von ihr eingeführten Veränderungen hassten, verstanden die ›Fremde‹ ausgezeichnet, und Honor begriff sie nun ebenso gut. Während das Frohlocken wie in Wellen von der Hangargalerie über Honor hinwegbrandete, verband es sie mit den Menschen dahinter und fühlte sich wahrhaft zu Hause.
Das grüne Licht begann zu blinken, und White Haven, der neben der Luke stand, machte eine einladende Geste. »Nach Ihnen, Mylady«, sagte er. Honor blickte ihn an, und er lächelte. »In dieser Navy stehen Sie im Rang über mir, Lady Harrington. Und wäre es anders, wäre ich nicht so unvorsichtig, mich in einem Moment wie diesem zwischen Sie und eine Schiffsladung Graysons zu stellen!«
Sie lief dunkelrot an, doch dann musste sie lachen und erhob sich, während sie sein Lächeln erwiderte.
Er half ihr, Nimitz Traggestell wieder auf ihrem Rücken festzuschnallen, dann ließ er sie als Erste in die Personenröhre. Sie spürte, wie aufgeregt die Besatzung des Superdreadnoughts war; fast schien es, als poche ihr ein Überdruck wellenartig durch die enge Röhre entgegen. Der Ansturm unterschied sich von der Stimmung an Bord der Farnese und wirkte doch genauso überwältigend. Honor fiel es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Andererseits hätte sie noch im
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