Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Schlaf durch die Schwerelosigkeit einer Personenröhre schwimmen können, auch wenn ihr ein Arm fehlte. Sie verließ sich ganz auf die Fertigkeit, die sie in über vierzig Jahren Raumflottendienst erlangt hatte. Als sie sich jedoch der Haltestange am Röhrenende näherte, spürte sie durch den Trommelwirbel von Emotionen der wartenden Graysons noch etwas anderes, ein schwaches, aber ganz ureigenes Entzücken. Es kam von hinten.
Am liebsten hätte sich Honor zu White Haven umgewandt, nur um zu sehen, ob sein Gesichtsausdruck das perlende Lachen widerspiegelte, das sie im Hinterkopf hörte. Und vielleicht hätte sie dabei auch einen Hinweis darauf erhascht, was er eigentlich so witzig fand. Doch dazu mangelte es Honor an Zeit. Sie packte die Haltestange und schwang sich zu den warmen, tönenden Klängen des Gutsherrenmarschs in das fremde Schiff.
Obwohl sie sich bestmöglich gewappnet hatte, hätte nichts sie auf den Empfang vorbereiten können, der sie erwartete. Die Musik, der optische Ansturm der Uniformen, die durch blitzende Goldlitzen und Rangabzeichen aufgehellt wurden, die Ehrengarde der Marineinfanterie, die das Gewehr präsentierte, der Gefühlstaifun, die Freude – und auch die Rachsucht, die aufbrandete, als das Fehlen ihres linken Arms und ihr halbseitig gelähmtes Gesicht bemerkt wurden – alles brach über sie herein. Und über den Gefühlen hörte sie ein Hurragebrüll, das selbst die graysonitische Flottendisziplin nicht zum Schweigen bringen konnte. Nimitz zitterte; auf die Eindrücke, die wie ein polychromatisches Donnergrollen auf ihn eindrangen, reagierte er wie betäubt; sie konnte nichts anderes tun, als instinktiv das vor langer Zeit eingedrillte Protokoll für das Anbordkommen zu befolgen.
Honor wandte sich zur Ehrenbezeigung der Flagge des Planeten Grayson zu, die am bugwärtigen Schiff des Hangars hing, dann wandte sie sich dem Kommandanten des Schiffes zu und salutierte ihm. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie Captain Thomas Greentree erkannte. Der stämmige, braunhaarige Grayson sah aus, als wolle sein Grinsen ihm das Gesicht in zwei Hälften spalten. Hinter ihm entdeckte sie noch einen Bekannten: Admiral Judah Yanakov lächelte womöglich noch breiter als Greentree, und eigenartigerweise passte seine Wiedersehensfreude mühelos zu den harten, gefährlich leuchtenden Augen, mit denen er ihren Armstumpf betrachtete. Honor kannte ihn zu gut, um sich fragen zu müssen, was dieses Leuchten bedeute. Sie nahm sich fest vor, so bald wie möglich ausgiebig mit ihm zu sprechen. Doch nun war dazu nicht der rechte Moment. Sie blickte an ihm vorbei auf die Galerie und wartete, dass die Hurrarufe verstummten.
Selbst für einen Superdreadnought war die Galerie geräumig, und …
Sie verlor völlig den Faden, als sie auf dem Schott hinter der Ehrenwache das Schiffsemblem entdeckte. Die Vorlage für dieses Wappen war überdeutlich. Das gleiche Wappen hatte sie jedes Mal erblickt, wenn sie sich ihren Gutsherrnschlüssel ansah – und wenn doch noch Zweifel bestanden hätten, woher es stammte, so hätte der geschmückte Schiffsname darüber sie samt und sonders zerstreut.
Bestürzt stierte Honor das Wappen an; sie konnte den Blick einfach nicht abwenden, obwohl sie genau wusste, dass sie mit ihrer Reaktion die Erheiterung nährte, die vom Earl von White Haven auf sie einströmte. Und für die Gesundheit Mylords war es vermutlich sehr gut, dass sie sich in diesem Moment nicht zu ihm umdrehen konnte , überlegte sie später. Denn wenn sie es vermocht und gesehen hätte, dass er auch nur um ein Zehntel so breit grinste, wie sie vermutete, und er auf Armesreichweite gestanden hätte …
Doch nun blieb ihr keine Zeit für süße Rachefantasien, denn der Tumult ringsum erstarb, und Thomas Greentree warf die strengen Vorgaben der Flottentradition dieses eine Mal über Bord. Zackig senkte er nach der Ehrenbezeugung die Rechte, streckte sie vor und umschloss zermalmend ihre Hand, bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte.
»Willkommen daheim, Mylady!«, sagte er, und seine Stimme, obwohl rau vor Ergriffenheit, hallte in der plötzlichen Stille wieder. »Willkommen zu Hause. Und willkommen an Bord der Honor Harrington !«
3
Über Austin City ging Jelzins Stern auf. Hochadmiral Wesley Matthews blickte aus der geräumigen Wartehalle über das Fähren-Landefeld und blähte die Wangen. In jenen einfacheren Tagen, als er Commodore einer Systemverteidigungsflotte gewesen war, hatte sein Haar eine kräftige
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