Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Der Geschmack seiner einfachen Freude darüber, dass er seine natürliche Beweglichkeit zurück gewann, trieb Honor manchmal fast die Tränen in die Augen, denn sie wusste, wie sehr er es genoss, diese Beweglichkeit wieder einzusetzen. Dennoch teilte er mit ihr das tiefe und noch vollkommenere Entzücken, dass sie ihn wieder mit beiden Händen aufheben konnte. Er drückte ihr fest seine Nase gegen die linke Wange, und sein Schnurren vibrierte ihr bis in die Knochen, nachdem sie ihn sich wieder auf die Schulter gesetzt hatte, wohin er gehörte.
Samantha sprang vom Stuhl und trottete neben ihnen her; als Jaruwalski sich bückte und sie aufnahm, schnurrte sie ebenfalls glücklich.
Honor lächelte den Commander dankbar an und führte ihre Gäste – selbst hier von Andrew LaFollet gefolgt – in das weitläufige ›Spielzimmer‹ der Villa. Es war zum Zentrum der Plaudereien nach dem Essen geworden, und Honor hatte es mit recht ungewöhnlichem ›Spielzeug‹ bestücken lassen. Vier kompakte, aber voll funktionstüchtige Simulatoren standen dort; jeder stellte ein etwas verkleinertes Kommandodeck nach. So kompakt sie waren, sie machten jeden Raum klein und eng, selbst einen von dieser Größe. Noch keiner ihrer Gäste hatte sich darüber beschwert, denn eigentlich kamen sie wegen der Simulatoren. Wer schon hier gewesen war, beeilte sich, um die besten Plätze auf den Sesseln und Sofas zu belegen, die zusammengedrängt standen, um Raum für die Simulatoren zu schaffen. Niemand wagte sich freilich in die Nähe von Honors persönlichen Sessel am großen Steinkamin (in dem vermutlich noch nie ein Feuer gebrannt hatte, denn die Jasonbai lag in den Subtropen). Alle anderen Plätze standen jedem zur Verfügung, allerdings stritt sich kein Raumkadett mit einem Captain oder Admiral, der ein Auge auf einen bestimmten Sessel geworfen hatte.
»Nun, Ladys and Gentlemen«, sagte sie zu den Middys, als jeder einen Platz gefunden hatte, »haben Sie sich Gedanken zu der Aufgabe gemacht, die ich Ihnen in der Vorlesung gestellt habe?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann hob ein Kadett die Hand.
»Ja, Mr. Gillingham? Sie möchten den Ball ins Rollen bringen?«
»Ich denke schon, Ma’am«, entgegnete Midshipman Gillingham trocken. Für jemanden, der so jung und so drahtig gebaut war wie er, klang seine Stimme erstaunlich tief. Er sprach mit ausgeprägtem alizonischem Akzent und dämpfte die Vokale stark.
Honor lächelte über seinen Tonfall. »Jemand muss schließlich anfangen«, stimmte sie ihm zu. »Und Sie bekommen Sonderpunkte für Mut, weil Sie sich freiwillig melden.«
Mehrere Klassenkameraden Gillinghams lachten leise, und der junge Mann erwiderte ihr Grinsen … selbstverständlich voll Respekt.
»Vielen Dank, Ma’am«, sagte er, dann wich sein Grinsen einem ernsteren Ausdruck, und er räusperte sich. »Was mir Kopfzerbrechen bereitet hat, Ma’am«, fuhr er schüchtern vor. »Sie haben in der Vorlesung gesagt, dass es im Gefecht keine echten Überraschungen gibt.«
»Das ist ein wenig zu sehr vereinfacht«, verbesserte Honor ihn. »Ich habe gesagt, durch die modernen Ortungsgeräte sei die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sich ein Sternenschiff unentdeckt auf Gefechtsentfernung an ein anderes heranschleichen kann. Mit ›Überraschung‹ meine ich also unter diesen Umständen nicht, dass ein Gegner den anderen wirklich übersehen kann. Vielmehr spiele ich darauf an, dass man stets Gefahr läuft, das Gesehene falsch zu deuten.«
»Jawohl, Ma’am. Aber was, wenn die eine Seite die andere tatsächlich nicht kommen sieht?«
Eine andere Hand wurde gehoben, und Honor blickte ihre Besitzerin an.
»Ja, Ms. Hearns? Möchten Sie etwas hinzufügen?«
»Jawohl, Mylady.« Obwohl ein Middy der Tradition zufolge jeden Offizier mit ›Sir‹ oder ›Ma’am‹ anzureden hatte, hob bei Hearns’ Anrede niemand auch nur die Augenbraue. Rittertitel und Erbadel waren schon wichtig, aber von Raumkadetten erwartete niemand, dass sie diese Dinge auseinander hielten. Die Tradition bedeutete indessen keine eiserne Fessel, und auf Manticore gab es keinen Grayson, ob Raumkadett oder nicht, der auch nur im Traum daran gedacht hätte, Honor anders anzusprechen als ›Mylady‹. »Mir kam es eher so vor«, sagte Hearns, »dass Sie von der Notwendigkeit sprachen, eine Überraschung zu erschaffen , Mylady. Den Gegner durch Täuschungsmanöver oder Eloka oder sonst etwas so weit zu bringen, dass er sieht, was Sie ihn sehen lassen
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