Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
intensive Musterung des Displays besonders viel zu erfahren. Bei einigen Admiralen hätte O’Faolain diese Konzentration als einen Versuch gewertet, die Volkskommissarin durch vorgebliche Gedankentiefe zu beeindrucken. Doch sie kannte Groenewold so gut, dass sie es besser wusste. An diesem dunklen, gefühlsbetonten Flaggoffizier war kein Falsch, er sicherte sich nicht einmal politisch ab, und es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, bei seiner Bewacherin Eindruck zu schinden. Darum fiel es O’Faolain sehr schwer, ihn nicht zu mögen – sogar sehr zu mögen –, und sie musste sich immer daran erinnern, dass sie die Offiziere in ihrer Obhut nicht gern haben, sondern beobachten sollte.
Groenewold gönnte dem Display einen letzten Blick, mit dem er sich die Vorstoßgeschwindigkeit der Aufklärungsdrohnen einprägte, die KV 12.3 ausgesandt hatte. Vorausgesetzt, die Drohnen blieben unbehelligt, hätten sie sich etwa in zwanzig Minuten genügend an die Stellen angenähert, die von der taktischen Abteilung als wahrscheinlichste Aufenthaltsorte manticoranischer Kräfte bestimmt worden waren. Groenewold hatte alles gesehen, was es zu sehen gab, bevor die Drohnen neue Ergebnisse übermittelten. Er rieb sich nachdenklich die Nase und kehrte zu seinem Kommandosessel zurück. O’Faolain folgte ihm, aber er war sich ihrer Gegenwart kaum bewusst, während er über die Lage nachsann. Ganz gewiss war es ihm noch nie in den Sinn gekommen, sie um ihre Meinung zu bitten, wie er vorgehen solle. Diese Entscheidung war Aufgabe eines Admirals. Von ihr erwartete er, dass sie ihm nicht in die Quere kam und dafür sorgte, dass die anderen Volkskommissare an Bord der anderen Schiffe seines Kampfverbands sich ebenfalls heraushielten. Soweit es B. J. Groenewold betraf, brachte diese Aufgabenteilung allen Beteiligten nur Vorteile. Nie dachte er darüber nach, wie viel Glück er doch hatte, dass O’Faolain stets die geballte Konzentration anerkannte, mit der er sich auf die jeweilige Situation stürzte. Manch andere Volkskommissarin wäre vielleicht beleidigt gewesen, weil er sie ignorierte.
Nun winkte er Bürgerin Lieutenant Commander Bhadressa und Bürger Lieutenant Commander Okamura zu sich und lehnte sich in den Sessel.
»Keine Anzeichen für irgendein LAC dort draußen, Fugimori«, murmelte er seinem Operationsoffizier zu. Bürgerin Kommissar O’Faolain trat neben Okamura, und Groenewold nickte ihr zur Begrüßung zu, ohne je die Augen von dem Operationsoffizier zu nehmen.
»Das hätte mich auch überrascht, Bürger Admiral.« Okamura hatte eine tiefe Stimme, die aus einer gewaltigen Brust rumpelte. Sein Name täuschte; der blauäugige Bürger Commander war keineswegs asiatischer Abstammung. Er ragte fast zwei Meter auf, und sein goldlockiger Bart ließ ihn aussehen wie einen Wikinger, der sich in Raum und Zeit verirrt hatte. Trotzdem war nichts von einem Berserker an Okamura, im Gegenteil. Hauptsächlich deswegen hatte Groenewold ihn für seine Aufgabe ausgewählt, denn der Bürger Vizeadmiral war sich bewusst, dass sein aggressives Naturell ihn manchmal zur Unbesonnenheit verleitete. Okamura war kein Feigling, sondern hatte schlicht eine weitaus nachdenklichere, vorsichtigere Persönlichkeit als Groenewold.
»Bürger Captain Diamato zufolge hat man die angeblichen Wunder-LACs bei Hancock erst in dem Moment bemerkt, in dem sie aus Graserreichweite das Feuer eröffneten«, fuhr Okamura gelassen fort. »Wir halten sorgfältigst Ortungswache, aber wenn sie so dicht an Bürgerin Admiral Kellet herankamen, dann werden wir sie nicht viel früher entdecken, da können wir so genau hinsehen, wie wir wollen. Immer vorausgesetzt, Bürger Captain Diamato hat sich richtig an die Ereignisse erinnert.«
»Ist klar«, stimmte Groenewold ihm zu, doch trotz des Vorbehalts war in seinem Kopf kein Raum für Zweifel. Lester Tourville hatte ihm eine Kopie von Diamatos Bericht zukommen lassen, die Groenewold ohne zu zögern seinem Stab und seinen Kommandanten vorgelegt hatte. Groenewold vermochte nicht besser zu erklären als jeder andere, wie jemand so viel Gemeinheit in ein derart kleines Schiff pressen konnte, aber den manticoranischen Forschungs- und Entwicklungsleuten (die man gar nicht genug verfluchen konnte) war absolut alles zuzutrauen. Die überschlauen Hundesöhne hatten die Volksflotte mit einer unerfreulichen Überraschung nach der anderen beglückt. Und obgleich B. J. Groenewold nicht der Meinung war, alle Mantys wären drei Meter groß,
Weitere Kostenlose Bücher