Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Solaren Liga für Geld kaufen konnte, aber es handelte sich um Sonderanfertigungen zu Zwecken des Hinterhalts, nicht um reguläre Munition für Raumgefechte. Die Firma, die sie für die Navy der Solaren Liga entworfen hatte, schwärmte über die Möglichkeiten, die sie der Flotte im Kampf eröffnen würden, doch das Waffenamt hatte sie sich angesehen, gegähnt und dann abgelehnt. Denn die Raketen waren ausschließlich für Angriffe aus dem Hinterhalt geeignet. Ihr geringe Geschwindigkeit machte sie zudem furchtbar verwundbar, vor allem in der letzten Anflugphase, in der die Suchköpfe gezwungen waren, ihr Ziel aktiv anzupeilen.
Diese Zurückweisung durch das Waffenamt ließ die Rüstungsfirma mit gewaltigen Entwicklungskosten zurück, die sie auf legalem Wege nicht wieder hereinholen konnte. Da die Lenkwaffen die allerneuste solarische Stealth-Technik benutzten, stellte der Verkauf an jeden anderen als die Solarische Navy einen verräterischen Akt dar, aber darum scherte sich niemand. Die Firmen, von denen die Schiffe der Navy gebaut und ausgerüstet wurden, waren schon seit Jahrhunderten gewöhnt, die Vertragsklauseln zu ignorieren, die sich mit dem Verbot von Technologietransfer befassten. Und wer dagegen verstieß, kam mit einer milden Verwarnung davon. Als Oscar Saint-Justs SyS-Gewährsleute auf Alterde einen Einkaufsbummel machten, verwies ein hilfsbereiter Geschäftsmann sie rasch auf die abgelehnten Waffensysteme.
Das Amt für Systemsicherheit zeigte sich interessiert – aber es teilte sein Wissen nicht mit der Volksflotte, denn falls – oder sobald – es zum Endkampf gegen die VFH kam, würde es für die SyS doch sehr nützlich sein, über eine getarnte Waffe zu verfügen, von der die regulären Streitkräfte nichts ahnten. Mit einigen vorbeugenden Schlägen gegen Unruhe stiftende Flottenschiffe könnte man gerade die Offiziere ausschalten, die vermutlich den größten Ärger verursachen würden.
Doch auch aus anderen Gründen war Saint-Just sehr an den Raketen interessiert gewesen. Wie der Hersteller zugab, lag ihre große Schwäche in ihrer extremen Verwundbarkeit gegenüber aktiver Nahbereichsabwehr während des endgültigen Zielanflugs. Die passiven Sensoren konnten ein Ziel auffassen, das man ihnen zeigte, und dessen Impellerkeil folgen. Durch ihre Geschwindigkeit und ihre lange Brenndauer konnte die Rakete weit besser (und länger) auf Ausweichmanöver des Ziels reagieren als irgendeine Standard-Lenkwaffe. Gegen ein bewegtes, durch einen Impellerkeil geschütztes Ziel benötigte sie am Ende jedoch genaue Daten, um den korrekten Angriffswinkel zu berechnen. Darum mussten die Suchköpfe das Ziel aktiv erfassen. In diesem Moment aber wurde sie für jeden militärtauglichen Sensor sichtbar und – durch ihre geringe Geschwindigkeit – zum leichten Ziel für Lasercluster.
Die Systemsicherheit hatte dieses Problem erkannt und eine Lösung gefunden. Während Routineüberholungen waren in allen Großkampfschiffen der Volksflotte insgeheim Peilsender untergebracht worden. Sie waren sorgfältig verborgen und taten überhaupt nichts – bis sie ihr Aktivierungssignal empfingen. Einmal eingeschaltet, sendeten sie eine Zielpeilung, einen Leitstrahl, dem die Rakete folgen konnte, ohne je aktiv orten zu müssen. Daher konnte sie auch von einem Schiff abgefeuert werden, welches das Ziel gar nicht geortet hatte – und bis zum Moment der Detonation blieb sie unsichtbar wie ein Gespenst. Und was gegen rebellische Schiffe der Volksflotte wirkte, funktionierte auch bei einem manticoranischen Ziel. Es musste nur eine Möglichkeit gefunden werden, den Peilsender an Bord des beabsichtigten Zielschiffes zu bringen.
Mit den Ortungsgeräten, die der Volksrepublik Haven zur Verfügung standen, ließen sich die neuen Raketen nicht entdecken, bevor ihre Suchköpfe aktiv Ortungsimpulse abstrahlten. Saint-Justs Techniker vermuteten, dass Manticoraner sie vermutlich entdecken könnten, doch nicht einmal manticoranische Technik könnte die unter Stealth fliegenden Ziele lange genug sichtbar machen, um eine Zielaufschaltung zu erhalten.
Darum hatte Saint-Just einen Kontakt mit Randal Donizetti geknüpft. Donizetti wäre vom Amt für Systemsicherheit kaum als zuverlässig eingestuft worden, aber die Summen, die Saint-Justs Agenten ihm zahlten, waren einfach unwiderstehlich, zumal Donizetti von den Wahren Gläubigen zusätzlich Geld erhalten würde. Saint-Justs örtliches Netz hatte nichts weiter tun brauchen, als Donizetti
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