Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
diesen Rufmördern ein wenig schwerer fällt, ihr Gift zu verspritzen, wenn die ›verratene Frau‹ der ganzen Milchstraße verkündet, dass sie nicht verraten wird und niemals verraten wurde.«
Honor starrte sie an, und ihr Herz erhob sich, als sie zum ersten Mal seit Wochen einen echten Hoffnungsschimmer empfand. Sie war weder so naiv noch so töricht zu glauben, dass Emily nur den Zauberstab zu schwenken brauchte, und alles wäre vorbei. Doch in einer Hinsicht hatte Emily gewiss Recht: Der Teil der Regierungspresse, der solch riesige Krokodilstränen darüber vergoss, wie furchtbar Lady White Haven verraten worden war und wie schrecklich die Untreue ihres Gatten sie verletzt haben musste, konnte kaum weiterhin für sie weinen, wenn sie eifrig öffentlich über die Absurdität der Vorwürfe lachte.
»Ich … ich glaube, das wäre unfassbar hilfreich, Emily«, sagte sie schließlich, und das leichte Zittern ihrer Stimme überraschte sie selbst.
»Das wäre es zweifellos«, erwiderte Emily, doch nun spürte Honor erneut Sorge in der Stimme ihrer Gastgeberin aufwallen. Die Gräfin war noch nicht fertig. Noch etwas anderes – etwas Schlimmeres – hatte sie zu sagen. Honor sah Emily an, während diese tief Luft holte.
»Zweifellos«, wiederholte Emily, »aber wir müssen noch über einen anderen Punkt sprechen, Honor.«
»Einen anderen Punkt?«, fragte Honor angespannt.
»Ja. Ich sagte, ich wüsste, dass Hamish und Sie kein Verhältnis haben, und das stimmt auch. Das weiß ich, weil ich, offen gesagt, schon seit langem wusste, dass er gelegentlich eine Geliebte hatte. Nicht viele natürlich, aber einige.«
Sie richtete den Blick von ihrem Gast auf etwas, das nur sie sehen konnte, und ihr tiefes, bittersüßes Verlangen trieb Honor die Tränen in die Augen. Honor spürte bei Emily weder Wut noch das Gefühl, verraten worden zu sein, sondern Bedauern. Verlust. Trauer um das eine, was sie und der Mann, der sie liebte und dessen Liebe sie von ganzem Herzen erwiderte, nie wieder teilen konnten. Sie warf ihm nicht vor, dass er es bei anderen Frauen gesucht hatte; doch ihr war es eine innere offene Wunde zu wissen, dass sie es ihm nicht mehr geben konnte.
»Alle diese Frauen waren registrierte Kurtisanen – mit einer einzigen Ausnahme, die Hamish tief bereut«, fuhr sie leise fort, »doch er hat sie trotzdem gemocht und respektiert. Wenn nicht, hätte er sie niemals zu sich ins Bett genommen. Er ist nicht die Sorte Mann, die eine oberflächliche Affäre hat oder sich ›durch die Betten schläft‹. Dazu ist seine Integrität zu hoch.« Sie lächelte traurig. »Es klingt wohl seltsam, wenn eine Frau ihren Mann für die Integrität lobt, die er bei der Wahl seiner Geliebten beweist, doch das ist das einzige Wort, das es passend beschreibt. Hätte er mich je danach gefragt, ich hätte ihm geantwortet: Ja, es tut weh, aber nicht, weil er mir ›untreu‹ war. Weh tut es, weil ich ihm nicht mehr das geben kann, was diese Frauen ihm geben … und er nicht mehr mir. Deshalb hat er mich ja nie danach gefragt, weil er weiß, was ich antworten würde. Und das ist auch der Grund, weshalb er so unglaublich diskret ist. Er weiß, dass ihn in unseren Kreisen niemand verurteilen würde, weil er unter den gegebenen Umständen eine registrierte Kurtisane besucht hat. Und die meisten anderen Manticoraner würden ihn ebenfalls verstehen. Er hat es jedoch immer vermieden, es in dieser Hinsicht darauf ankommen zu lassen. Nicht, um seinen Ruf zu schützen, sondern mich – damit ich nicht noch zusätzlich darauf hingewiesen werde, dass ich diesen Sessel nicht mehr verlasse. Er würde mich auf keinen Fall demütigen wollen, indem er auch nur andeutet, ich wäre in irgendeiner Hinsicht … unzulänglich. Ein Krüppel.
Und das will er nicht«, fuhr sie fort, indem sie Honor wieder ansah, »weil er mich liebt. Ich glaube aufrichtig, dass er mich noch immer so sehr liebt wie an dem Tag, an dem er mir den Heiratsantrag gemacht hat. Oder am Tag unserer Hochzeit. An dem Tag, an dem man mich aus dem Flugwagen schnitt und ihm sagte, dass ich nie wieder gehen und ohne Hilfe nie wieder atmen könnte.«
Sie holte noch einmal tief Luft, wozu ihre Zwerchfellmuskeln von den Schnittstellen des Lebenserhaltungssessels kontrolliert wurden, denn sie selbst vermochte es nicht mehr.
»Und das ist der Unterschied zwischen mir und all seinen Geliebten, Honor. Die Geliebten bedeuteten ihm etwas, und er hat sie respektiert, aber er hat sie nicht geliebt.
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