Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
die Person, die sie gern als Verbündete haben würde, im gleichen Kampf bereits unterlegen war. In diesem Augenblick der Erkenntnis hatte Honor ein gewaltiges Potenzial von Eifersucht als auch Unwillen in Emily gespürt, und Honor war sehr überrascht gewesen, wie rasch ihre Gastgeberin ihren Zorn beiseite schieben konnte.
Doch an Emily Alexander war einiges, worüber Honor immer wieder staunte. Sie war Honors Mutter überhaupt nicht ähnlich, es sei denn in einer Weise: Beide strahlten jenes gelassene Gefühl aus, genau zu wissen, wer sie waren, nicht nur in Bezug auf ihre Pflichten, sondern auch auf ihre Herzensangelegenheiten. Honor hatte ihre Mutter darum immer beneidet, fast so sehr, wie sie sie wegen ihrer Schönheit und ungenierten Sinnlichkeit beneidete, während Honor selbst ein hässliches Entlein von großknochiger, aufgeschossener, linkischer Heranwachsender war. Doch sosehr sie ihrer Mutter deswegen damals auch gegrollt hatte, sie hatte immer gewusst, wie töricht dies war. Ihre Mutter konnte für ihre Schönheit genauso wenig wie Honor für das, was sie war.
Das hatten ihre Eltern Honor gelehrt, fast ohne es zu bemerken. Gelungen war es ihnen durch ihr Beispiel und durch ihre Elternliebe, die keine Grenzen kannte. Sie hatten ihre Tochter in jeder bedeutenden Hinsicht zu einem ganzen Menschen gemacht. Nur in einer Hinsicht musste Honor nach wie vor an sich arbeiten: In einem stillen Winkel ihres Herzens musste sie ihren Glauben daran stärken, dass jemand sie wirklich lieben könnte, aus freien Stücken, völlig zwanglos.
Es war so dumm, dumm, dumm von ihr gewesen, das anzuzweifeln, sagte sie sich immer wieder. Wenn in der ganzen Milchstraße ein Mensch das hätte wissen können, dann gewiss sie – erst recht eingedenk ihren tollen Eltern und Nimitz' Hilfe. Doch es hatte nicht geholfen, und dann, auf der Akademie, waren Pavel Young und Mr Midshipman Cal Panokulous gekommen – der Möchtegern-Vergewaltiger und der junge Mann, der sie noch grausamer verletzt hatte. Der Schaden, den diese beiden ihr zugefügt hatten, war schrecklich gewesen, aber sie hatte es überlebt. Überlebt und dann, mit Paul Tankersleys Hilfe, tatsächlich zu genesen begonnen. Sie hatte langsam gelernt, dass es durchaus Menschen gab, die sie mögen konnten – und es taten. Mittlerweile hatte sie wirklich die Zuneigung so vieler Menschen gespürt, die zu ihrem Leben gehörten. Bei Paul. Ihren Eltern, James MacGuiness, Andreas Venizelos, Andrew LaFollet, Alistair McKeon, Jamie Candless, Scotty Tremaine, Miranda LaFollet. Und bei Nimitz …
Doch tief in ihr, an einer Stelle, die der Heilungsprozess nie erreicht hatte, saß die Angst. Zwar fürchtete sie nicht mehr, ungeliebt zu sein, dafür aber, dass es falsch sein könnte, wenn jemand sie liebte. Dass das Universum die Menschen strafen könnte, die es wagten, denn zu viele waren schon dafür gestorben, dass sie Honor geliebt hatten.
Diese Angst war unvernünftig, das wusste Honor, aber sie hatte so viele verloren, und jeder einzelne Tod hatte ein neues Loch in ihre Seele gerissen. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die mit ihr gedient und für die Siege – Honors Siege – mit ihrem Leben bezahlt hatten. Waffenträger, die gestorben waren, damit ihre Lehnsherrin lebe. Freunde, die sich um Honors willen mit Bedacht Gevatter Tod gestellt hatten – und ihm anheim gefallen waren. Das war zu oft geschehen und hatte zu viel gekostet, und der entsetzliche Gedanke, dass jemand, der sie zu lieben wagte, dem Tode geweiht war, verhöhnte sie, denn Logik ist nur eine schwache Waffe im Kampf gegen die tiefe, irrationale Überzeugung des Herzens. Im Kampf gegen diese Unvernunft hatte Honor große Fortschritte gemacht, das wusste sie. Doch auch wenn sie in einigen Schlachten gesiegt hatte, musste sie trotzdem noch den Krieg gewinnen, und das Gewirr aus Gefühlen und Bedürfnissen, aus Furcht und den Geboten der Ehre, die ihre Empfindungen für Hamish Alexander umwanden wie ein Schleier, drohte, ihr in diesem Kampf noch mehr Boden zu rauben.
»Also«, sagte Hamish endlich, und seine Stimme erschreckte Honor fast nach dem langen, gemeinsamen Schweigen, »was habt ihr beide denn entschieden? Wie packen wirs an?«
Er bewahrte einen gleichmütigen, fast humorigen Ton, doch damit täuschte er niemanden am Tisch, einschließlich seiner selbst, und Honor blickte Emily an.
»Ich glaube, wir haben zumindest eine Möglichkeit gefunden, wie wir anfangen können«, antwortete seine Gattin
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