Honor Harrington 14. Honors Krieg
Andermanern gegeben, während sie überlegte, was sie mit der scharfen Granate beginnen sollte, die die Zweite Flotte darstellte. Sie rechnete jedoch nicht damit, dass es an dieser ›Front‹ ruhig bleiben würde. Eigentlich hatte sie gehofft, dass mit der Ankunft des Herzogs von Ravenheim die Spannungen ein wenig nachlassen würden, doch das war nicht eingetreten. Immerhin schien Ravenheim im Gegensatz zu Sternhafen kein Interesse zu haben, die schwelende Glut noch anzufachen. Doch zugleich hatte er Sternhafens offensichtlich eigennützige – und grotesk unrichtige – Version des Zoraster-Zwischenfalls nicht zurückgezogen.
Chien-lu Anderman von Ravenheim war zu intelligent, um Sternhafens Darstellung zu glauben. Ferner würde ein Offizier seines Kalibers ganz sicher eine eigene Untersuchung einleiten. Wenn er Sternhafens Wahrheitsverdrehung also unterschrieb, war das ein sehr schlechtes Zeichen. Als wäre das nicht schlimm genug, konnte Honor nicht glauben, dass er sich ohne einen ausdrücklichen Befehl seines Kaisers an einem solchen Vorgehen beteiligen würde. Wenn seine Weisungen aber die Verringerung der Spannungen ausschlossen, dann waren die Chancen, dass sich eine direktere und damit weit gefährlichere Konfrontation vermeiden ließ, sehr klein. Honor befürchtete sogar, der augenblickliche Frieden könnte nichts anderes sein als die Ruhe vor dem Sturm, während derer die Andermaner die Positionierung ihrer Verbände beendeten.
Wie auch immer sie es betrachtete, sie war zwischen zwei Bedrohungen gefangen. Hätte sie mit nur einer von beiden zu tun gehabt, wäre sie gewiss damit fertig geworden, zumindest aber, dank der Rückendeckung durch Alfredo Yu und das Protector's Own, hätte sie lange genug standhalten können, bis Entsatz von Manticore eingetroffen wäre. Trotz dieser Verstärkung fehlten ihr die Mittel, ihren Verantwortungsbereich gegen zwei vollkommen isolierte Bedrohungen gleichzeitig zu schützen. Und bisher hatte die Regierung High Ridge es abgelehnt, ihr zusätzliche Mittel zukommen zu lassen.
Das jedoch war immer noch nicht das Schlimmste – längst nicht.
Honor seufzte schwer, das Gesicht von Sorgen zerfurcht, die sie bedachtsam niemals jemand anderen sehen ließ. Sie wandte sich der unangenehmsten Schlussfolgerung von allen zu. Wenn die Republik Haven bereit war, hier draußen in Silesia einen Angriff vorzutragen, dann musste sie das Gleiche weit dichter an der Heimat beabsichtigen. Eine isolierte kriegerische Handlung wie einen Angriff auf Sidemore Station zu begehen, so weit von der Front zwischen ihr und der Manticoranischen Allianz entfernt, käme einem Akt des Wahnsinns gleich. Die Gegenwart der Zweiten Flotte musste also lediglich eine Facette eines weit ausgedehnteren Operationsplans darstellen. Und offenbar glaubte Thomas Theisman, er könne es sich leisten, die Schiffe der Zweiten Flotte vom entscheidenden Operationsschauplatz abzuziehen – ganz gleich wie viele es waren.
Diese Überlegung bereitete ihr die größten Sorgen. Sie kannte Thomas Theisman persönlich, was nur zwei andere manticoranische Admirale von sich behaupten konnten; beide dieser Flaggoffiziere unterstanden ihrem Kommando, und alle drei hatten sie vor Theisman den allergrößten Respekt. Sie wusste, dass Hamish Alexander, der schon gegen Theisman gekämpft hatte, und Alfredo Yu, der Theismans Mentor gewesen war, den gleichen Respekt empfanden. Wenn Thomas Theisman also meinte, er habe eine hinreichend starke Flotte, um den Kampf an zwei vollkommen isolierten Fronten zu beginnen, dann war für Honor in schmerzhaftem Ausmaß offensichtlich, dass das ONI die neue Republican Navy katastrophal unterschätzt hatte. Vielleicht schätzte Theisman seine Kampfkraft falsch ein, aber Honor glaubte nicht, dass er sich sehr irrte – zumal die Stärke der Royal Manticoran Navy durch die bitteren Flottenetatdebatten öffentlich dokumentiert war, ganz im Gegensatz zur Flottenstärke der Republik. Und anders als Jurgensen, Chakrabarti und Janacek wusste Theisman genau, was sein Gegner hatte.
Daran konnte Honor nun nichts ändern. Ohne neue Anweisungen von der Admiralität hatte sie in ihrem Kommandobereich jede Anpassung an Verteidigungsaufgaben durchgeführt, die ihr in den Sinn gekommen war. Nunmehr blieb ihr nichts weiter zu tun, als die Informationsbrocken, die man von der Hecate hatte retten können, der Admiralität zuzuleiten und zu hoffen, dass in der Heimat jemand die richtigen Schlüsse daraus zog.
Nicht nur,
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