Honor Harrington 14. Honors Krieg
nicht für einen Grayson. Sie nehmen Ihre gesamte Kampfgruppe und durchkämmen das Sonnensystem, das die Hecate ansteuerte, mit Ihren LACs. Und gehen Sie dabei schön offensichtlich vor.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann räusperte sich Truman.
»Darf ich fragen, weshalb ich offensichtlich vorgehen soll, Hoheit?«, fragte sie leise und ein wenig förmlicher als sonst.
»Erstens«, erklärte Honor ihr mit gepresstem Lächeln, »möchte ich jeden weiteren ›Unfall‹ vermeiden. Wenn wir uns mit LACs unter Stealth in ihre Flotte einschleichen, besteht eine zu große Chance, dass sie das für eine ernst gemeinte Attacke halten. Bei all unseren Problemen mit den Andys könnten wir das nun wirklich am wenigsten gebrauchen.« Mehrere der anwesenden Offiziere nickten zustimmend, und sie fuhr fort: »Zwotens sollen die Havies sehen, dass wir von ihrer Anwesenheit wissen.«
»Was, wenn sie Befehl haben anzugreifen, falls sie entdeckt werden, Mylady?«, fragte Yu.
»Das bezweifle ich sehr. Ich könnte mich natürlich irren, aber wir können uns einfach nicht davon lähmen lassen, was sie vielleicht planen. Ich habe das Gefühl, dass diese Operation so geheim durchgeführt werden sollte wie irgend möglich. Unter den gegebenen Umständen halte ich es für wahrscheinlicher, dass die Flotte Befehl hat, sich zurückzuziehen, falls sie entdeckt wird. Zumindest werden sich sie darüber sorgen, wie die Andys reagieren, wenn sie erfahren, dass Haven eine derartige Flottenpräsenz direkt vor ihre Grenzen verlegt hat. Jedenfalls halte ich das Risiko für gerechtfertigt. Wir stürzen uns in das System, geben ihnen Bescheid, dass wir von ihrer Anwesenheit wissen, und dann schauen wir mal, wie sie reagieren.«
Sie blickte wieder Truman an.
»Deshalb sollen Sie offensichtlich vorgehen, Alice. Wenn Sie Ihre COLACs einweisen, unterstreichen Sie aber bitte die Notwendigkeit zur Vorsicht. Auf keinen Fall dürfen sich die Havies so sehr in die Ecke gedrängt sehen, dass sie das Abwehrfeuer eröffnen. Verstanden?«
»Verstanden«, stimmte Truman zu, und Honor freute sich, als sie ihre tiefe Befriedigung darüber schmeckte, mit dieser Mission betraut zu werden. Mancher Kampfgruppenkommandeur hätte sich gefragt, ob man ihn aussandte, damit der Stationskommandeur einen Sündenbock hatte, falls etwas schief ginge. Andere Stationskommandeure wiederum wären nicht imstande gewesen, die Verantwortung zu delegieren, was auf ein gewisses Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten ihrer Untergebenen hinwies. Honor indes sagte sich: Alice muss schließlich nicht wissen, wie schwer es mir in diesem besonderen Fall fällt, die Aufgabe aus der Hand zu geben. Nicht, weil ich irgendeinen Zweifel daran hege, dass Alice die Mission bewältigen könnte, sondern weil ich für den soeben erteilten Befehl verantwortlich bin und nicht Alice.
Bei allem, was im Augenblick vorgeht, muss ich aber leider im Marsh-System bleiben, nur für den Fall, dass die Lage eskaliert, während Alice unterwegs ist. Und wo ich schon daran denke …
Sie wandte sich an Yu. »Während Alice fort ist, halten wir Ihre restlichen Schiffe zusammen mit Alistairs hier bei Sidemore, Alfredo. Als die Zwote Flotte in Marsch gesetzt wurde, hat in Nouveau Paris womöglich noch niemand gewusst, dass Benjamin Sie hierher geschickt hat. Und dabei möchte ich es belassen, falls sich die Lage zu unseren Ungunsten entwickelt.«
»Verstanden«, stimmte Yu ihr zu.
»Wenn das so ist, Leute, dann wollen wir mal.«
»Die Hecate ist seit zwo Tagen überfällig, Sir«, sagte Captain DeLaney leise.
»Ich weiß, Molly. Ich weiß.«
Lester Tourville zog die Stirn kraus, während er über die unerfreulichen Implikationen der Tatsache dachte, an die DeLaney ihn erinnert hatte. Für die Verspätung der Hecate waren unzählige Gründe denkbar. Leider wollte ihm kein einziger einfallen, der ihm zugesagt hätte. Und welcher Grund auch immer zutraf, seine Befehle waren eindeutig. Zwar erschien es außerordentlich unwahrscheinlich, dass irgendetwas die Anwesenheit der Zwoten Flotte verraten hatte, doch war ›außerordentlich unwahrscheinlich‹ nicht gleichbedeutend mit ›unmöglich‹. Vor allem aber war es denkbar, dass das Nichterscheinen der Hecate die Folge von etwas war, das man nicht als ein »übliches Risiko der Raumschifffahrt« bezeichnen konnte.
»Also gut, Molly«, seufzte er. »Geben Sie den Befehl zum Aufbruch. Noch in dieser Stunde verlegen wir uns in das
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