Honor Harrington 14. Honors Krieg
Regierungskoalition im Oberhaus. Ein einträglicher Ruheposten war das nicht gerade bei einer Koalition, die so viele entgegengesetzte Ideologien in sich vereinte, und das wusste jeder im Konferenzsaal. Dennoch konnte Green Vale von Glück reden, dass sie im Moment nicht zugegen war.
»Ich versichere Ihnen, dass ich mit ihr rede«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Um fair zu sein, muss ich aber sagen, dass sie wohl getan hat, was sie unter den gegebenen Umständen tun konnte.«
»Ach ja?« Descroix funkelte ihn wütend an. »Und was ist das für eine Einpeitscherin, wenn sie uns nicht einmal warnt, dass wir eine Abstimmung verlieren könnten, die so wichtig ist wie diese?«
»Es ging nur um achtzehn Stimmen«, entgegnete High Ridge. »Das sind kaum zwei Prozent der tatsächlich anwesenden Mitglieder.«
»Aber die Enthaltungen eingerechnet, sind insgesamt dreiundsechzig Stimmen gewandert«, widersprach sie ihm giftig. »Und nach meiner Rechnung sind das über acht Prozent. Von den siebenunddreißig Oberhausmitgliedern, die es gar nicht erst für nötig befunden haben zu erscheinen, will ich gar nicht reden.« Ihre Augen hätten wie Dolche das Herz jedes Menschen durchbohrt, dessen Selbstbewusstsein nicht so unerschütterlich war wie das von High Ridge.
»Zugegeben ein höchst unglücklicher Vorfall«, räumte der Premierminister ein. »Aber es wäre unfair gegenüber Jessica, wenn man ihr vorwirft, sie habe nicht rechtzeitig erkannt, dass die Kammer sich gegen die Unterstützung entscheiden würde.«
»Wozu zum Teufel brauchen wir dann eine Einpeitscherin?«, entgegnete Descroix.
Auf diese offenkundig rhetorische Frage antwortete er nicht, und nach einem Augenblick erkannte sie, welch gereizter Kleinlichkeit die Frage entsprungen war. Descroix zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls können wir das heutige Fiasko nur als potenziell gefährlichen Rückschlag sehen, Michael.«
»Als Rückschlag mit Sicherheit«, stimmte er ihr zu. »Wie gefährlich er wirklich ist, ist aber eine ganz andere Frage.«
»Betreiben Sie keine Augenwischerei«, erwiderte sie tonlos. »Alexander und White Haven waren beide auf unser Blut aus … und New Dijon war uns auch nicht die geringste Hilfe. Gottverdammter freiheitlicher Heuchler!«
Diesmal gelang es High Ridge nicht ganz, sein Zusammenzucken zu verbergen. Zum Glück war die Schatzkanzlerin nicht anwesend. Es hatte ein gewisses Maß an kreativer Zeitplanung seinerseits erfordert, dass sie ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem er die Konferenz hatte ansetzen ›müssen‹, durch eine Besprechung verhindert war – eine Besprechung mit dem Präsidenten der Bank von Manticore und dem Vorsitzenden des Königlichen Interstellaren Entwicklungsfonds. High Ridge hegte den starken Verdacht, dass New Kiev genau wusste, wieso er dieses Arrangement getroffen hatte. Dass sie nicht einmal zaghaft Einwände dagegen erhoben hatte, verriet ihm einiges. Andererseits konnte sie bestimmt ihr Gewissen mit der Überlegung beruhigen, dass ihr guter Parteifreund Sir Harrison MacIntosh für sie einspränge und die Interessen der Freiheitlichen Partei vertreten würde. Im Moment wirkte MacIntosh fast genauso unglücklich über Descroix' Charakterisierung des Earls von New Dijon, wie New Kiev es gewesen wäre.
Nicht dass es High Ridge danach verlangte, über diesen Punkt mit Descroix ein Wortgefecht zu beginnen. New Dijon hatte immer großen Wert daraufgelegt, sich von der augenblicklichen Regierung zu distanzieren. Das hieß allerdings nicht, dass er nicht wusste, wo mehr zu holen war, und während er immer darauf achtete, vor der Öffentlichkeit als unabhängiger Denker dazustehen, sprach sein Abstimmverhalten eine ganz andere Sprache.
Heute war es anders gewesen. Dass William Alexander und sein Bruder die Attacke leiten würden, war so unausweichlich gewesen wie der nächste Sonnenaufgang. Niemanden hatte es überrascht, als ein gutes Dutzend weiterer oppositioneller Peers mit eigenen spitzen Fragen nachsetzten. Doch drei der unabhängigen Peers, die bislang immer die Regierung unterstützt hatten, waren nun offenbar Anhänger der Opposition, denn sie hatten ihre ernsthafte Besorgnis über die neue, aggressivere Verhandlungsposition der Republik ausgedrückt – und New Dijon zählte ebenfalls zu ihnen.
»Tatsächlich«, sagte der Premierminister nach kurzem Nachdenken, »könnte sich New Dijons Verhalten als vorteilhaft für uns erweisen.«
»Wie bitte?« Descroix blickte ihn ungläubig an,
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