Honor Harrington 14. Honors Krieg
zu vergleichen?« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er als Psychopath in derselben Liga spielen würde.«
»Aber nicht aus Mangel an Ehrgeiz!«, schnaubte LePic.
»Skrupellos ist er«, warf Pritchart ein, öffnete die Augen und richtete sich auf. »Aber trotzdem hat Tom Recht, Dennis. Giancola ist sicherlich zu vielem bereit, um seine Ziele zu erreichen, aber ich glaube nicht, dass er mitten in Nouveau Paris eine Kernbombe zünden würde.«
»Ich hoffe nur, Sie beide haben Recht, und ich irre mich«, entgegnete LePic. Seine Formulierung machte Pritchart nicht sonderlich glücklich, denn sie wusste, dass er seine Informationen sowohl von Wilhelm Trajan als auch von Kevin Usher erhielt. Als er weitersprach, sank ihre Laune noch mehr. »Haben Sie übrigens bemerkt, wie Sanderson sich verhalten hat?«
»Allerdings«, sagte Theisman und verzog das Gesicht. »Ich glaube, wir erleiden gerade wieder eine Desertion.«
»Und wenn ich mich nicht sehr irre, dann gewinnt Giancola auch im Kongress an Boden«, stellte Pritchart fest. Sie schnitt ein Gesicht. »Bisher ist es für uns beim Kongress eher nützlich, High Ridge und Descroix in den Friedensverhandlungen zu bedrängen, aber der liebe Arnold ist offenbar widerstandsfähiger, als mir lieb ist. Wie er es sieht, habe ich seine Position übernommen, indem ich in den Friedensgesprächen eine härtere Linie vertrete. Dafür revanchiert er sich, indem er die Mantys noch misstrauischer betrachtet. Und wissen Sie, was die eigentliche Crux an der Sache ist?«
Sie blickte ihre Verbündeten an, die nur mit dem Kopf schüttelten.
»Die eigentliche Crux«, erklärte sie ihnen leise, »besteht in Giancolas Überzeugungskraft. Manchmal bin sogar ich mir nicht sicher, ob ich ihm nicht doch zustimmen soll.«
»Vielen Dank für die Einladung zum Abendessen, Herr Minister. Das Diner war köstlich, wie immer.«
»Und wie immer, Herr Botschafter, habe ich Ihre Gesellschaft sehr genossen«, sagte Arnold Giancola liebenswürdig.
Yinsheng Reinshagen, Graf von Kaiserfest, andermanischer Botschafter in der Republik Haven, lächelte seinen Gastgeber an. Er hatte nicht zum ersten Mal privat mit dem havenitischen Außenminister zu Abend gegessen, und er rechnete damit, dass es weitere solche Anlässe gäbe. Offiziell handelte es sich um ein Arbeitsessen, bei dem zwei Diplomaten über engere Handelsbeziehungen zwischen der wiedererstandenen Republik und dem Kaiserreich diskutierten. Kaiserfest bewunderte Giancola für diese Rechtfertigung. Die frühere Schatzamtserfahrung des Außenministers machte sie umso glaubwürdiger … und erklärte, weshalb er keinerlei Notwendigkeit darin sah, einen Vertreter des Handels- oder des Finanzministeriums hinzuzubitten. Mit dieser Tarnung konnte er jeden potenziell lästigen Zeugen fern halten. Und um zu untermauern, dass sie tatsächlich über Handelsbeziehungen sprachen, hatte Kaiserfest sogar einigen Handelskonzessionen zugestimmt.
Giancola wusste genau, was der Andermaner dachte, denn er hatte einige Anstrengungen unternommen, um Kaiserfest auf diese Gedanken zu bringen. Der Andermaner wusste jedoch nicht, dass Giancola die Tarngeschichte, die sie gemeinsam vereinbart hatten, auch gegenüber Eloise Pritchart aufrechterhielt.
»Nun«, sagte Kaiserfest. »So ausgezeichnet das Essen war, ich fürchte, ich muss in zwei Stunden in der Oper sein.«
»Selbstverständlich.« Giancola nahm seinen Kognakschwenker, trank einen Schluck und nickte anerkennend. Dann senkte er das Glas und lächelte. »Eigentlich, Herr Botschafter, wollte ich nur die Gelegenheit ergreifen, noch einmal die Position meiner Regierung zu wiederholen, dass wir und das Kaiserreich gewisse gemeinsame Interessen haben. Während wir noch mit Manticore verhandeln, sind wir offensichtlich leider nicht in der Lage, Ihre Regierung zu unterstützen und öffentlich die … Probleme zu lösen, die Sie in Silesia mit dem Sternenkönigreich haben. Was das angeht, wäre eine offizielle Unterstützung Ihrer Interessen vermutlich kontraproduktiv, solange wir uns nicht mit Manticore geeinigt haben.
Trotzdem ist unsere Regierung sich durchaus bewusst, dass, um die Worte einer alten Binsenweisheit zu benutzen, der Feind unseres Feindes unser Freund ist. Sowohl für die Republik als auch für das Kaiserreich wäre es vorteilhaft, wenn die Möglichkeiten Manticores, sich in unsere inneren Angelegenheiten und legitimen Sicherheitsinteressen einzumischen … begrenzt würden.
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