Honor Harrington 14. Honors Krieg
weitersprach, erhärteten sich diese Zweifel. »Der einzige Kontakt, den Manticore bisher mit Lynx hatte, bestand in dem Besuch des Vermessungsschiffs«, erklärte er. »Wir können unmöglich sagen, was dabei zur Sprache kam und wissen nur, was die Kommandantin des Vermessungsschiffs angeblich mit den Systemvertretern besprochen hat. Laut Aussage der manticoranischen Regierung.«
»Wollen Sie damit sagen, dass sie gelogen hat?«, fragte Theisman und bedachte Sanderson mit genau dem Blick, den Pritchart sich mit größter Mühe verkniff.
»Ich sage, dass sie durchaus gelogen haben kann «, entgegnete Sanderson. »Ich weiß es nicht. Ich weiß aber auch nicht, ob die Mantys die Wahrheit sagen, und wenn sie in die Richtung denken, von der Arnold offenbar spricht, dann versuchen sie sicher nach Kräften, ihre Anstrengungen in das denkbar beste Licht zu rücken. Und eine ›Anfrage‹ von Lynx wäre ein fabelhafter Vorwand.«
»Aber warum sollte Manticore das Bedürfnis nach einem Vorwand empfinden?«, wollte LePic wissen.
»Ich kann mir zumindest einen Grund denken«, antwortete Giancola einsichtig. Der Justizminister blickte ihn an, worauf der Außenminister mit den Schultern zuckte. »Was immer die Manticoraner im Talbott-Sternhaufen vorhaben, ich garantiere Ihnen, dass die Solare Liga darüber nicht sonderlich begeistert sein wird. Und die Solarier glauben sehr an die ›Selbstbestimmung‹.«
»Aber natürlich!«, schnaubte Theisman bitter. »Es sei denn, sie expandieren gerade selbst!«
»Dem kann ich nichts entgegensetzen«, sagte Giancola. »Tatsächlich glaube ich nicht, dass irgendjemand das könnte. Wichtig ist aber, dass die Solarier es erheblich schwerer hätten, gegen das Tun Manticores zu protestieren, wenn das Sternenkönigreich die solarische Offentlichkeit davon überzeugen könnte, dass Lynx um die Annexion gebeten hat.«
»Das ist mir insgesamt zu machiavellistisch«, sagte LePic.
»Vielleicht«, erwiderte Giancola gleichmütig. »Aber ganz gleich, wie Sie es sehen, High Ridge und Descroix sind nun einmal ziemlich machiavellistisch, das wissen Sie selber. Oder glauben Sie, die beiden verzögern die Verhandlungen über unsere besetzten Systeme aus reiner Herzensgüte, Dennis?«
»Selbstverständlich nicht«, knurrte LePic.
»Wenn sie diese Verhandlungen aus innenpolitischem Kalkül verschleppen, dann sehe ich absolut keinen Grund anzunehmen, weshalb sie über die Expansion in den Talbott-Sternhaufen anders denken sollten, als ich es gerade beschrieben habe«, erklärte Giancola.
»Das wäre schlimm genug«, fuhr der Außenminister fort, »aber ich muss sagen, dass ich mir keine weiteren Sorgen machen würde, wenn Manticore sich nur am Talbott-Sternhaufen interessiert zeigte. Schließlich würde das Sternenkönigreich dadurch eher von unserem Hoheitsraum und unserer Interessenssphäre abgelenkt. Leider sieht es mir ganz danach aus, dass die manticoranische Haltung gegenüber Talbott symptomatisch ist für ihre Haltung gegenüber der Expansion im Allgemeinen. Und wenn das wirklich der Fall ist, dann sind wir dem Sternenkönigreich einfach zu nah, als dass ich ruhig schlafen könnte. Zumal es nach wie vor republikanischen Hoheitsraum okkupiert.«
»Verdammt noch mal, was ist der Mistkerl aalglatt«, seufzte Theisman. Die Besprechung war einige Stunden vorüber, und er saß mit LePic in Pritcharts Büro. Außerhalb des großen Fensters glitzerten die Lichter des nächtlichen Nouveau Paris wie vielfarbige Juwelen, doch keiner der Anwesenden war in der Stimmung, den Anblick zu genießen.
»Jawohl, das ist er«, stimmte Pritchart ihm zu. Sie lehnte sich in ihren überdimensionalen Sessel zurück und schloss müde die Augen. »Und er wird besser«, verriet sie der Bürodecke.
»Ich weiß«, sagte LePic. Er klang rau, und er zuckte gereizt mit den Schultern, als Theisman ihn fragend ansah. »Giancola macht mir eine Gänsehaut«, sagte der Justizminister. »Ich weiß, dass er kein Dummkopf ist, und vieles von dem, was er sagt, leuchtet ein. Manchmal denke ich, es leuchtet mir viel zu sehr ein, vor allem dann, wenn ich gerade mal wieder besonders sauer auf die Mantys bin. Aber bei ihm geht zu viel hinter den Kulissen vor. Mich erinnert er an Saint-Just.«
»Das geht mir ein wenig zu weit«, sagte Theisman, nachdem er einen Augenblick lang nachgedacht hatte. »Ich bezweifle nicht, dass Giancola erheblich skrupelloser ist, als er nach außen hin zeigt, Dennis. Aber ihn mit Saint-Just
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