Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
wir zu fliehen versuchen«, antwortete Damana. »Wenn wir den Havie weit genug aus seiner Position locken können, erhält die Fearless vielleicht die Chance, den Raider zuerst auszuschalten, statt gegen beide auf einmal kämpfen zu müssen.«
»Es sei denn, der Havie beschließt, dass wir es nicht wert sind«, entgegnete Sandler. »Vielleicht lässt er uns einfach entkommen, und dann hätten wir es umsonst getan.«
»Na und?«, fragte Cardones. »Ich meine, was könnten wir durch den Versuch schon verlieren?«
»Was wir verlieren können?«, fuhr Sandler ihn an. »Alles könnten wir verlieren.«
Sie sah zwischen Cardones und Damana hin und her.
»Begreifen Sie denn nicht? Beide nicht? Wir besitzen nun eine Abwehr gegen den Keilkiller, aber die Havies wissen das nicht. Wenn sie hier verschwinden, ohne es zu erfahren, wer kann dann sagen, wie viel Zeit und Geld Haven mit dem Bau dieser Geräte und der Umrüstung seiner Schiffe verschwenden wird?«
Cardones starrte sie ungläubig an. »Sie meinen, Sie wollen die Fearless dafür opfern?«
»Im Krieg sterben ständig Menschen, Mr Cardones«, sagte Sandler gereizt. »Wenn Sie sich dadurch besser fühlen, versichere ich Ihnen gerne, dass sie nicht umsonst fallen.«
»O doch«, versetzte Cardones. »Die Havies werden doch nicht sämtliche Schiffe zu ihren Basen zurückrufen und mit dem Keilkiller nachrüsten. Sie werden weitere Tests durchführen; und früher oder später treffen sie auf einen Frachter mit installierten Unterbrechern.«
Unvermittelt überfiel ihn Kälte. »Oder wollen Sie gar nicht, dass die Idee das ONI verlässt? Wollen Sie etwa zulassen, dass weiterhin unsere Handelsschiffer abgeschlachtet werden?«
»Ich werde das nicht mit Ihnen diskutieren, Lieutenant«, erwiderte Sandler eisig. »Sie haben Ihre Befehle. Der Keil bleibt unten.« Demonstrativ wandte sie ihm dem Rücken zu. »Georgio, zeigen Sie mir die Selbstdiagnose der Verteiler.«
Cardones wandte sich wieder seinen Displays zu. In seinem Magen brodelte der Zorn, und ein eigenartiges Verlustgefühl grub ihm einen leeren Fleck in die Seele. Er hatte sich geirrt. Elayne Sandler glich Honor Harrington in keiner Weise. Captain Harrington hätte niemals Menschen in dieser kaltschnäuzigen Art geopfert. Wenn sie Menschen in Gefahr brachte, dann weil die Pflicht es ihr gebot und sie etwas verteidigte, aber nicht wegen eines dummen psychologischen Spielchens, das Männer und Frauen mit finsteren Seelen in finsteren Räumen spielten. Aus Pflichtgefühl hatte sie bei Basilisk die alte Fearless riskiert – und aus dem gleichen Grund würde sie heute die neue in Gefahr bringen.
Und die Fearless und alle Menschen an Bord würden sterben.
Daran bestand kein Zweifel. Nicht der geringste. Sandler und Damana mochten richtig liegen, wenn sie die Kampfstärke des Schlachtkreuzers als begrenzt einstuften, und ganz gewiss wurde die Fearless mit dem Leichten Kreuzer fertig, der sie verfolgte.
Aber sie konnte nicht gegen beide Schiffe auf einmal bestehen. Sie hatte keine Überlebenschance.
Er musste etwas unternehmen. Die Fearless war sein Schiff, Honor Harrington war seine Kommandantin. Er musste einfach etwas unternehmen.
Cardones starrte auf das Display – und wie eine Reihe von Dominosteinen hintereinander umfällt, kam ihm die Antwort.
Vielleicht. Er würde damit natürlich Sandlers direkten Befehl missachten, und das konnte das Ende seiner Laufbahn bedeuten.
Aber was war das schon für eine Laufbahn?
Damana, der neben ihm an der Ruderkontrolle saß, starrte vor sich hin, das Gesicht eine Maske. Cardones holte tief Luft, griff hinüber nach Damanas Instrumenten –
Und bevor Damana ihn daran hindern konnte, hatte er den Impellerkeil der Dorado aktiviert.
»Was ist denn jetzt passiert?«, fragte Koln mit einem überraschten Stirnrunzeln.
»Was?«, fuhr Dominick ihn an, während er mit dem Kommandosessel zu ihm herumfuhr.
»Einer der Frachter, Sir«, sagte Koln und warf einen kurzen Blick auf Charles, bevor er wieder seine Displays anstarrte. »Die Dorado . Ihr Keil ist wieder hochgefahren.«
»Was?«, knurrte Dominick und blickte Charles finster an. »Was geht hier vor?«
»Wie soll ich das verstehen: Was geht hier vor?«, entgegnete Charles, um beiläufige Sorglosigkeit in Stimme und Gesichtsausdruck bemüht, während ihm das Herz einige Zentimeter tiefer rutschte. »Ihre Leute haben das Schiff verfehlt, das geht hier vor.«
»Unmöglich«, erwiderte Koln. »Der Keil war
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