Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
Stuhl.
»Willkommen auf der Francis Mueller , mein Freund«, sagte er. »Nehmen Sie Platz. In einer Minute hab ich Zeit für Sie.«
Sean setzte sich und blickte sich in der Abteilung um, die seine neue Heimat sein würde, so lange auch immer er hier festsaß. Sein erster Eindruck vom Lazarett war Enge – es war nicht einmal ein Viertel so groß wie das Hauptlazarett des Superdreadnoughts Victory . Es war sogar kleiner als die drei Hilfslazarette an Bord des Großkampfschiffs. Andererseits erreichte die Besatzungsstärke der Francis Mueller nicht einmal ein Zehntel der Crew des Großkampfschiffes.
Die Francis war nicht nur kleiner als der Superdreadnought, sie war vor allem viel älter; ihre Klasse gehörte zu den ältesten Modellen in der gesamten Allianzflotte. Obwohl das Schiff eigentlich schon obsolet gewesen war, hatte man es in der Frühphase des Krieges gegen Haven der Grayson Space Navy übergeben; zunächst war es eines der kampfstärksten Schiffe der graysonitischen Flotte gewesen. Mittlerweile jedoch, nachdem die große Anzahl der bei der Dritten Schlacht von Jelzins Stern erbeuteten havenitischen Superdreadnoughts bei der GSN in Dienst gestellt worden waren und neue, im Jelzin-System gefertigte Superdreadnoughts und Kreuzer die Werften verließen, war die Francis wie schon einmal ein veraltetes, zu schlecht armiertes Relikt.
Und man sah es ihr an. Ganz gleich, wie oft ein Schiff zur Überholung in die Werft geschickt, ganz gleich, wie gründlich diese Überholung ausgeführt wird, ein Schiff zeigt immer sein wahres Alter. Bei der Francis zeigte es sich in den kleinen Schimmelstellen, die in den Ecken der Schotten wucherten, den abgewetzten Kanten, sogar in der Gestaltung der Kojen, Tische und anderen Mobiliars, die sich im Laufe der Kriegsjahre ein wenig verändert hatte.
Deshalb gab es durchaus genügend Gründe für die säuerliche Miene, die Tyler zeigte, als der Warrant endlich das Memopad auf den Tisch warf.
»Sie sehen nicht besonders glücklich aus, Sanitäter«, sagte er, öffnete die unterste Schreibtischschublade und zog eine halb gefüllte, schlaffe Blase mit einer unidentifizierbaren Flüssigkeit hervor. Er goss sich davon eine großzügige Portion in seinen Becher mit Tee und winkte Tyler damit. »Medizinische Einlage?«
»Nein, Sir, danke, Sir«, antwortete Sean und fragte sich, ob die farblose Flüssigkeit wirklich etwas anderes sei als Wasser; dann allerdings traf ihn ihr Geruch.
»Chief Warrant Officer Robert Kearns«, fuhr der Warrant fort, während er gleichzeitig die Blase verstaute. »Ich bin der Assistent des Schiffsarztes auf diesem Kahn. Sie können mich Doc nennen.«
»Jawohl, Sir«, sagte Sean.
»Hat man Sie untergebracht? Haben Sie einen Spind, eine Koje und dergleichen?«
»Jawohl, Sir. Der Bosun hat uns in Empfang genommen und einquartiert.«
»Gut, gut«, sagte der Warrant. »Woher kommen Sie? Sie sind doch Manticoraner, oder?«
»Jawohl, Sir.«
»Wollten sich wohl mal die religiösen Spinner aus der Nähe ansehen?«
»Nein, Sir«, sagte Tyler. »Ich hatte mich schon vor einem Jahr für die Versetzung in den graysonitischen Dienst gemeldet. Es heißt, dass die Beförderungsaussichten besser sind, wenn man in der Flotte eines Alliierten gedient hat.«
»So, so«, sagte der Warrant. »Sie wollen mir also weismachen, dass Sie sich freiwillig auf die Francis Mueller gemeldet haben?«
»Na, freiwillig gemeldet habe ich mich für den graysonitischen Dienst, Sir, und an Bord der Mueller gab es eine offene Planstelle, die mit Vorrang besetzt werden sollte, also bin ich hier.« Er blickte um sich und beschloss, ein Wagnis einzugehen. »Da habe ich wohl einen schlimmen Fehler begangen, oder?«
»Jau«, entgegnete der Warrant und nahm einen tüchtigen Schluck seines verlängerten Tees. »Mussten Sie auf Ihrem bisherigen Schiff jemals jemanden ruhig stellen?«
»Einmal«, antwortete Tyler. »Ist das … wichtig?«
»Wir haben etwa eine Ruhigstellung pro Woche«, erklärte der Warrant. »In schlimmen Wochen sogar öfter. Wir machen das dann folgendermaßen: Wir verabreichen ihnen einen Tranquilizer, legen ihnen eine Zwangsjacke an und binden sie an ihrer Koje fest. Wenn sie dann zu sich kommen, schauen wir mal, ob der Anfall vorbei ist oder ob es eine längere Geschichte sein könnte. Wenn sie vernünftig reden, lösen wir ihnen die Fesseln. Wenn nicht, bleiben sie in Gewahrsam, bis wir sie in eine Fähre setzen können, die sie sicher auf den Boden bringt.«
»Einmal
Weitere Kostenlose Bücher