Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
brauchen wir vier Tage.« Doc ließ sich auf seinen Stuhl fallen, holte die Blase mit dem Whiskey hervor, hielt sie sich über den Mund und nahm einen tüchtigen Spritzer aus der Tülle. »Wie geht's dem Captain?«, fragte er hustend.
»Er atmet«, antwortete Sean. »Sieht aus wie ein gewöhnliches Koma, kein Anzeichen für ein subdurales Gehirnhämatom.«
»Können Sie nicht einfach ›Gehirnquetschung‹ sagen, um des Prüfers willen?«, knurrte der Warrant. »Vier Tage unter dem Eins-O.«
Was sollte man mehr dazu sagen?
»Bosun«, sagte der Erste Offizier, der auf der Brücke stand und den Astrogationsplot studierte, »wir haben ein Problem.«
»Jawohl, Sir?«, fragte der Bosun zaghaft.
»Das Problem«, erklärte der Erste Offizier, »ist Nachlässigkeit.«
»Jawohl, Sir.«
»Der Captain hat sein kleines Spiel angesetzt, um die Leute aufzumuntern, aber die Wurzel allen Übels war Nachlässigkeit. Es sind alles Bummelanten. Nun, unter meinem Befehl wird es keinerlei Bummelei mehr geben.«
»Nein, Sir.«
»Ich habe einen Übungsplan erarbeitet«, fuhr der Eins-O fort und drehte sich zu dem Bootsmann um. Tief in seinen Augen schien ein kleines Feuer zu brennen. Soweit es den Bosun betraf, verbrannten darin seine Entlassungspapiere. »Und jeder wird sich daran halten. Buchstabengetreu.« Er wandte sich wieder dem Astrogationsplot zu.
»Jawohl, Sir«, sagte der Bosun.
»Nachlässigkeit wird nicht mehr geduldet«, wiederholte der Erste Offizier. »Wir zeigen der Flotte, dass es an Bord der Francis Mueller keine Bummelanten gibt. Ganz gleich, was dazu nötig ist.«
»Aber, Sir«, entgegnete der Bosun, obwohl er seine Worte schon bereute, bevor sie seinen Mund verlassen hatten, »wir haben keine Daumenschrauben.«
»Aber, Bosun«, erwiderte der Eins-O in einem tiefen, irrsinnigen Flüstern, »wir haben Werkzeugmaschinen!«
» 0 Prüfer, verschone uns heute von deiner Prüfung. Schon beinahe einen Tag lang, o Prüfer, liegt der Captain im Koma, und der Erste Offizier will ein Viertel der Besatzung vor ein Standgericht stellen. Schon aufgrund der Statistik, Prüfer, wird niemand von uns mehr am Leben sein, wenn wir Grayson erreichen. Dieses Schiff wird zum Grab, ein hilfloser Spielball der Gravitationstrichter und des Sonnenwinds … «
Nach einem vorsichtigen Blick nach allen Seiten schob sich der Bosun ins Lazarett. »Doc, ich habe ein Problem«, sagte er.
Der Warrant blickte von der reglosen Gestalt des Kommandanten hoch. »Willkommen im Club«, fuhr er den Bosun an.
»Der Zwerg ist also noch immer nicht bei Bewusstsein?«
»Nein«, antwortete Kearns.
Der Bosun hob den Kopf, als Tyler sich durch die Luke drückte.
»Ich gehe da nicht mehr raus«, sagte Tyler. »Das ist ein Zoo da draußen.«
»Die Crew steht kurz vor der Meuterei«, fuhr der Bosun fort. »Die Männer stimmen dem Kaplan zu: Wenn wir es dem Eins-O durchgehen lassen, jeden Tag ein Viertel der Mannschaft aus der Luftschleuse zu schicken, dann sieht keiner von uns Grayson mehr wieder.«
»Das ist ein hässliches Wort«, sagte Doc. »Meuterei, meine ich.«
»Ja, aber immer noch besser als ›explosive Dekompression‹«, entgegnete Sean.
»Das ist kein Wort, sondern ein feststehender Ausdruck«, erwiderte Doc.
»Mit beidem werden wir sehr vertraut sein, wenn wir uns nicht etwas einfallen lassen!«, versetzte der Bosun.
Tyler rieb sich nachdenklich das Kinn. »Manticore greift normalerweise nicht zur Todesstrafe«, erklärte er. »Und wenn doch, dann wartet man gewöhnlich, bis das Schiff einen größeren Hafen erreicht hat, damit das Kriegsgerichtsverfahren in aller Ordnung abgehalten werden kann. Warum versuchen wir nicht … Ach, schon gut.«
»Ja, darauf würde er sich nie einlassen«, sagte der Bosun. »Wenn wir es auch nur vorschlagen, landen wir gleich auf der Liste.«
»Will er sie wirklich einfach aus der Luftschleuse stoßen?«, fragte Kearns. »Ich meine, nicht mal ein Genickschuss vorher oder sowas?«
»Nein, nein«, entgegnete der Bosun mit verzogener Miene. »Er will sie entweder vorher erschießen oder eine Todesspritze geben und dann … He!«
»Genau«, sagte Kearns mit einem verschlagenen Blick. »Jetzt müssen wir ihn nur überzeugen, dass er die Leichen nicht ausschleusen soll.«
»Anständiges Begräbnis«, schlug Tyler nach kurzem Überlegen vor. »Ich meine, ihr seid doch alles religiöse Fanatiker, oder? Bestimmt wäre es doch nur angemessen, wenn man sie zu
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