Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
– besonders nicht von den Kommandanten der Superdreadnoughts, auf denen sich die Verbrecher konzentrierten?‹«
Damit schien er Gallantis Panzer der Selbstgerechtigkeit endlich zu durchbrechen. Sie wurde ein wenig bleich. »Ich war nicht … verdammt, das war nicht meine Sache! Ich befehlige einen Superdreadnought, ich gehöre nicht zum Kampfverband! Jamka war ein Volkskommissar – zum Kampfverband abkommandiert –, er stand nicht unter meinem Befehl!«
Sosehr sie sich auch bemühte, ihren Worten fehlte die Kraft. Radamacher zuckte mit den Schultern.
»Bürgerin Captain Gallanti – haben Sie übrigens etwas dagegen, wenn ich Sie Julian nenne, so lange wir unter vier Augen reden?«
Gallanti zögerte, nickte dann schroff. »Nein, sicher nicht. Solange wir alleine sind, äh … Yuri, richtig?«
Radamacher nickte. »Also, Julian, stellen wir uns den Tatsachen. Wir haben alle unsere Entschuldigungen, und wir wissen beide, dass es keine vorgeschobenen Gründe sind – jedenfalls nicht, wenn man in der wirklichen Welt lebt und nicht in Cachats Wolkenkuckucksheim. Aber …«
Er ließ das Wort in Schweigen ausklingen. Nach einer Pause sagte er:
»Blicken Sie den Tatsachen ins Gesicht, Julian. Realistische Entschuldigungen halten gegenüber Fantasieanklagen niemals stand, sobald der Fantast auf wirkliche Verbrechen verweisen kann.
Machen wir uns also nichts vor. Cachats Wüten wird in Nouveau Paris sehr gut ankommen, glauben Sie bloß nicht das Gegenteil.« In leicht zynischem Tonfall sagte er: »Aus purer Neugier habe ich eine Textanalyse mehrerer der Ansprachen angefertigt, die unser Bürger Vorsitzender vor SyS-Kadern gehalten hat, als er noch Direktor des Amts für Systemsicherheit war. Von bestimmten und unbestimmten Artikeln wie ›ein‹ und ›der, die, das‹ abgesehen, was meinen Sie wohl, welches Wort er am häufigsten benutzt hat?«
Gallanti schluckte.
»Das Wort heißt ›Strenge‹, Julian. Oder ›streng‹. Also sagen Sie mir doch, wie mitfühlend wird der Chef wohl sein, wenn er unsere Klagen hört, der fanatische Victor Cachat sei in seiner Bestrafung von sexuell devianten Menschen, die unter dem Deckmantel ihres SyS-Ranges ihren Abartigkeiten nachhingen, zu streng gewesen?«
Gallanti sah aus, als erstickte sie an etwas. Yuri drang nun gewandt in die Bresche ein und begann den Brückenkopf für das, was er bei sich ›das Abkommen‹ nannte. Den Grundstein legte er dadurch, dass er sich aufrecht setzte und auf seinem Sessel etwas nach vorn rutschte. Keine Schauspielerei, nur … die subtile Körpersprache eines Mannes, der eine harmlose – nein, eine wohlwollende und nützliche – Verschwörung vorschlägt. Besser gesagt: ein gegenseitiges Einvernehmen nur unter uns .
»Mit anderen Beschwerden, die Sie gewiss ebenfalls vorgesehen haben, werden wir mehr Glück haben. Schließlich ist es wirklich lächerlich, wie Cachat das Personal austauscht. Wir können sicher sein, dass man in Nouveau Paris ein dummes Gesicht ziehen wird, wenn man sieht, was er mit den Marines macht.«
»Ganz bestimmt! Ein dummes Gesicht ist noch gelinde ausgedrückt! Die bekommen einen Anfall!«
Yuri wackelte mit der Hand. »Hm … ja und nein. Cachat ist verschlagen, Julian, begehen Sie bloß nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen. Fanatiker sind nicht unbedingt dumm. Vergessen Sie nicht, dass er immer bedacht war, genauso viele handverlesene SyS-Leute zusammen mit den Marines einzusetzen.«
Yuri sah keinen Grund, darauf hinzuweisen, dass die Auslese von den Marines durchgeführt worden war, sondern stürmte weiter vor:
»Richtig, Cachat hat die Vorschriften gebeugt, bis sie aussahen wie eine Bretzel. Aber rundheraus gebrochen hat er sie nicht – nein, hat er wirklich nicht, ich hab's überprüft. Er kann anführen, dass er es mit außerordentlich schwierigen Umständen zu tun hatte, weil das normale disziplinarische Personal von Jamka korrumpiert worden war. Leider haben fünf der sieben hingerichteten Offiziere – und alle vier Mannschaftsdienstgrade – zur Schiffspolizei der Superdreadnoughts gehört. Cachat wird behaupten, ihm sei keine andere Wahl geblieben – und diese Behauptung ist alles andere als fadenscheinig. Zumindest nicht, wenn man es von der Nouveau Pariser Warte aus sieht.«
Gallanti fiel in düsteres Schweigen und sackte auf ihrem Schreibtischsessel zusammen. Dann sagte sie fast knurrend: »Die ganze Sache ist einfach absurd . Wenn man überlegt, dass dieser Stinkkäfer das, was er
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