Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
eigentlich tun sollte, als Einziges nicht erledigt hat! Wir wissen immer noch nicht, wer Jamka ermordet hat. Irgendwie ist diese ›nebensächliche Einzelheit‹ in dem ganzen Schlamassel verloren gegangen.«
Yuri gluckste trocken. »Ironisch, nicht wahr? Und nach Cachats Rundumschlag werden wir auch nie erfahren, wer es war. Aber was soll's? Ich nehme an, den Bericht des Leichenbeschauers haben Sie gesehen?«
Gallanti nickte, und Yuri verzog das Gesicht. »Ziemlich eklige Sache, oder? Kein schneller Tod. Wer immer Jamka fertig gemacht hat, war genauso sadistisch wie Jamka selber. Von den Holobildern der Leiche her wäre ich fast versucht zu sagen, Jamka hätte Selbstmord begangen. Nur ist es völlig unmöglich, wie er sich seinen …«
Yuri erschauerte leicht. »Ach, egal, es war einfach ekelerregend. Wichtig ist aber – das wissen Sie, das weiß ich, das weiß jeder mit auch nur einem Funken Verstand –, dass mit Bestimmtheit jemand aus der eigenen Koterie Jamka ermordet hat. Streit unter Dieben, wie man so sagt. Wen interessiert es letzten Endes schon wirklich, wer von ihnen Jamka auf dem Gewissen hatte? Cachat hat den Haufen gerichtet, und damit hat es sich. Wer weint denen schon eine Träne nach? Oder glauben Sie etwa, die Frage würde Oscar Saint-Just schlaflose Nächte bereiten?«
Finster schüttelte die Superdreadnoughtkommandantin den Kopf. Noch finsterer und mit sehr rauer Stimme sagte sie: »Die Affäre wird mir die Karriere ruinieren. Das weiß ich genau, verdammt noch mal. Und …« Die ihr eigene Selbstgerechtigkeit und nachtragende Art traten wieder an die Oberfläche. »Ich bin daran nicht schuld! Ich hatte nichts damit zu tun! Wenn dieser Kotzbrocken Cachat nicht …«
» Julian! Bitte «, schnitt Yuri ihr das Wort ab. Eilig fuhr er fort: »Bitte. Das hat doch keinen Sinn. Meine Karriere steht ebenso auf dem Spiel, das wissen Sie. Selbst wenn man für ›unschuldig‹ befunden wird, ist eine amtliche ›strenge Ermittlung‹ dennoch ein schwarzer Fleck in der Akte, den man kaum tilgen kann. Ihre Akte sieht da schon viel besser aus, wenn Sie es recht betrachten.«
Gallanti wäre fast, aber nicht ganz, ein mitfühlendes Lächeln gelungen. Yuri entschied, der richtige Augenblick, um das ›Abkommen‹ zu schließen, sei nun gekommen.
Er rutschte bis an die Sesselkante vor. »Sehen Sie, Sie könnten nichts Schlimmeres tun, als sich in Ihrem Elend zu suhlen. Wir haben noch immer eine Chance, die Sache zu bereinigen. Zumindest den Schaden zu minimieren. Wir hätten auf keine bessere Gelegenheit hoffen können, als dass Cachat sich auf eine romantische Jagd nach Piraten und Handelsstörern begibt.«
Sie wölbte fragend und vage hoffnungsvoll die Brauen. Yuri warf ihr sein bestes aufrichtiges Lächeln zu.
Und er beherrschte ein ausgezeichnetes aufrichtiges Lächeln: liebenswürdig und vertraulich, ohne vulgär zu sein, dazu verständnisvoll; im Laufe der Jahre hatte Yuri von Hunderten von Menschen gehört, wie sehr sie seine Aufrichtigkeit schätzten. Das Eigenartigste daran – besonders in dieser Situation – war jedoch, dass es, wie Yuri sehr wohl wusste, einfach der Wahrheit entsprach: Er war in der Tat ein aufrichtiger, mitfühlender und freundlicher Mensch. Seine eigene Natur einzusetzen war, da er ansonsten keine Mittel besaß, die einzige Waffe, die ihm zur Verfügung stand.
»Ich bin kein Polizist, Julian, da kann Cachat mir jedes Etikett aufdrücken, das er mir aufdrücken möchte. Ich habe nicht das nötige Temperament. Um meinen Hals zu retten – und den aller anderen – suche und finde ich noch ein paar alberne kleine ›faule Stellen‹ der Korruption und lasse sie auffliegen. Auf einem Schiff, das so groß ist wie die Hector Van Dragen , muss es wenigstens ein halbes Dutzend illegale Schnapsdestillen geben.«
»Ha! Versuchen Sie's mal mit ›zwo Dutzend‹. Ganz zu schweigen von den Glücksspielringen.«
»Genau. Also drehen wir ein paar Mannschaftsdienstgrade durch die Mangel – verhängen die Höchststrafen, die dem Bordgericht erlaubt sind –, während wir uns um die wichtigen Dinge kümmern.«
»Und die wären?«
»Ich bin ein Volkskommissar , Julian. Und ich bin verdammt gut. Was meine Vorgesetzten auch immer an mir auszusetzen hatten, niemand hat mir für meine eigentliche Arbeit je eine Beurteilung gegeben, die weniger als ausgezeichnet gewesen wäre. Sehen Sie in meine Akte, wenn Sie mir nicht glauben.«
Und auch das war ganz einfach die Wahrheit. Radamacher
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