Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
Abigail war bereit, die Lehre zu glauben, doch sie vermutete, dass auch die Umkehrung zutraf. In ihren Augen bedeutete Grigovakis' Zugehörigkeit zur Kadettenkammer ein Gegengewicht zu Shobhanas Anwesenheit und bewies, wie fundiert ihre finstere Vermutung doch war.
Midshipman Grigovakis war groß, kräftig gebaut und so gut aussehend, dass Abigail glaubte, die Regelmäßigkeit seines Gesicht wäre in nicht untergeordnetem Maße auf Bioskulptur zurückzuführen. Außerdem war er selbst nach manticoranischen Standards unanständig wohlhabend. Nach seinen Noten und seinem Stand im letzten Akademiejahr war er ein begabter Offiziersschüler, doch zu einem angenehmen Mitmenschen machte ihn das leider nicht.
»Wenn Saint-Just jemals aufrichtiger ausgesehen hat als ich«, erwiderte Karl betont gelassen, »dann kann es nur an der raffinierten Bildbearbeitung durch das Amt für Öffentliche Information gelegen haben.«
»Ja, aber sicher doch«, stimmte Shobhana ihm spöttisch zu, um das Geplänkel in Gang zu halten.
»Meinst du, es war manipuliert, Abigail?«, fragte Grigovakis und ließ unglaubwürdig makellose Zähne mit einem Lächeln aufblitzen, in dem wie immer eine leichte Herablassung mitschwang.
»Das weiß ich nicht«, sagte sie so ungezwungen sie konnte. »Die Öflnt hätte es bestimmt gekonnt, wenn sie es gewollt hätte. Andererseits ist es für einen Geheimpolizisten bei seiner Karriere doch bestimmt genauso sehr von Vorteil, wenn er rechtschaffen und unschuldig aussieht, wie für einen Midshipman, der irgendwo erwischt wird, wo er nicht hingehört. Also ist es vielleicht eine natürliche Schutztarnung, die er schon früh erworben hat.«
»Daran hatte ich gar nicht gedacht«, sagte Grigovakis lachend und schenkte ihr ein Nicken, mit dem er zu sagen schien: ›Meine Güte, wie clever für ein kleines Neobarbarenmädel wie dich!‹ »Ich hatte auch nicht damit gerechnet«, antwortete sie leichthin, und ihr Tonfall fügte hinzu: ›Weil dir dazu natürlich der nötige Grips fehlt.‹ Irgendwo weit hinten in seinen braunen Augen flackerte der Zorn auf, und sie grinste ihn zuckersüß an.
»Nun, also«, sagte Karl in dem Ton eines Menschen, der eifrig um einen Themenwechsel bemüht ist, »rechtschaffen hin, unschuldig her, ich glaube nicht, dass ich mich besonders auf das Dinner heute Abend freue!« Er schüttelte den Kopf.
»Wenigstens musst du nicht allein zum Captain«, entgegnete Shobhana. »Du hast Abigail dabei. Tu einfach, was du bei den Dinners der Herzogin von Harrington auch immer getan hast.«
»Und das wäre?«, fragte Karl misstrauisch.
»Versteck dich hinter ihr«, antwortete Shobhana trocken.
In theatralischer Empörung plusterte Karl sich auf. »Nie hätte ich mich hinter ihr versteckt! Sie saß zufällig zwischen mir und Ihrer Hoheit!«
»Drei Mal?«, fragte Shobhana skeptisch.
»Du bist drei Mal nach Harrington House eingeladen worden?«, fragte Grigovakis und blickte Aitschuler mit offensichtlicher Überraschung an, die von etwas durchdrungen wurde, das verdächtig an Respekt erinnerte.
»Nun, ja«, gab Karl mit unerträglicher Bescheidenheit zu.
»Ich bin beeindruckt«, erklärte Grigovakis, dann zuckte er mit den Achseln. »Ich war natürlich nicht in ihrer Gruppe, deshalb ist niemand aus meinen Taktikklassen eingeladen worden. Ich habe aber gehört, das Essen soll immer gut gewesen sein.«
»Oh, es war sehr viel besser als nur gut «, versicherte Karl ihm. »Für Mistress Thornes Karamellkuchen würde ich meine linke Hand geben! Mistress Thorne ist ihre Köchin.« In epikuräischer Erinnerung schwelgend, verdrehte er die Augen.
»Ja, aber andererseits hat sie uns in den Sims ganz schön geschunden«, sagte Shobhana mit erheblich geringerer Nostalgie zu Grigovakis. »Normalerweise hat sie den gegnerischen Verband übernommen und uns gewohnheitsmäßig unsere aufgeblasenen Ärsche versohlt.«
»Das kann ich mir denken.« Mit einer aufrichtigen Miene, wie man sie nur selten bei ihm sah, schüttelte Grigovakis den Kopf. Sein Respekt für den ›Salamander‹ gehörte zu den sehr wenigen Punkten, in denen Abigail mit ihm übereinstimmte.
»Ich habe versucht, in einen ihrer Kurse zu kommen, als ich erfuhr, dass sie auf der Insel unterrichtet«, fuhr er fort. »Ich kam aber zu spät.« Er lehnte sich zurück und musterte seine Kammergefährten. »Also habt ihr drei ihre Einführung in die Taktik gehört? Das wusste ich gar nicht.«
»Ich hätte es fast auch nicht geschafft«, sagte
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