Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
es auch in Judiths Ohrhörer.
»Jacob im Maschinenleitstand«, ertönte Renas Stimme. »Alles sieht gut aus.«
Judith widerstand dem Drang, sie anzufahren. Nur Schwierigkeiten sollten gemeldet werden. Sie rief sich zur Ruhe. Schließlich war sie froh, es zu wissen.
»Hier Moses. Wir schalten um auf Flugmodus. Fertig?«
»Fertig«, erklang Renas selbstsichere Antwort.
Dinah bemerkte beinahe beiläufig: »Man hat uns bemerkt. Männer laufen auf das Hallenvorfeld.«
»Odelia, fordere sie auf zurückzubleiben«, befahl Judith. »Ich schalte zum Start um.«
Odelia berührte ihr Kehlkopfmikrofon, und Judith wusste, dass wahrscheinlich zum ersten Mal seit der Ankunft der Wahren Gläubigen die verstärkte Stimme einer Frau auf Masada – wenn auch getarnt – erklang, um Befehle zu erteilen.
Sie hatte jedoch keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, sondern konzentrierte sich auf die Startprozedur und die Sequenz zur Beschleunigung in die Umlaufbahn. Der Computer hätte das Manöver auch von allein durchführen können, Judith aber wollte sich beweisen, dass sie mehr war als nur ein Ersatz für die Automatiksysteme.
Als der Shuttle gehorchte, anmutig vom Boden abhob und in den Himmel stieg, jubelte sie laut, so groß war ihr Entzücken. Die Überraschung auf den Gesichtern der anderen Frauen flößte ihr kurz Verlegenheit ein, doch sie hielt sich mit Bedacht von einer Entschuldigung ab.
»Wir haben Engelsschwingen«, sagte sie stattdessen und ließ sie an ihrer Freude teilhaben. »Dem Computer nach erfolgt unser Rendezvous mit dem Aronsstab pünktlich.«
Die Anspannung ließ spürbar nach, und Odelia leitete in die Passagierkabine und den Frachtraum weiter, was Judith gesagt hatte. Noch waren sie nicht in Sicherheit, doch obwohl Masada über Abfangjäger verfügte, waren die Rechte der Ältesten so tief verankert, dass jede Dienststelle zur Luftüberwachung wertvolle Zeit vergeuden würde, bevor sie ein Fahrzeug anhielt, das einem Ephraim Templeton gehörte.
Odelia stand eine Auswahl passender Antworten zur Verfügung, sollte man sie anrufen, und ein dazugehöriges elektronisch erzeugtes männliches Äußeres für Bildsprechverbindungen. Eigenartigerweise kam von der Oberfläche jedoch nichts außer einer automatisierten Bestätigung ihres Kurses und der Versicherung, dass keine Behinderungen zu erwarten stünden.
»Könnte es sein«, brach Odelia das Schweigen im Cockpit, »dass sie mit der Beobachtung der Manticoraner überlastet sind und kaum noch Zeit für die übliche Raumüberwachung haben?«
»Das wird es sein«, stimmte Judith ihr zu, doch sie empfand keinerlei Zuversicht.
Das nächste merkwürdige Ereignis trat ein, als sie sich dem Aronsstab näherten. Judith wollte gerade die Anweisung erteilen, die Hangartore zu öffnen, als sie von allein beiseite glitten.
»Schwestern«, sagte sie, während sie den Annäherungswinkel doppelt überprüfte und das Tempo des Shuttles drosselte, »hier stimmt etwas nicht.«
Ohne Zweifel hatte Michael noch keinen Menschen erblickt, dem man sein Alter stärker ansah als dem Vorsitzenden Ältesten Simonds von den Wahren Gläubigen der Kirche der Entketteten Menschheit. Sein Gesicht war tief zerfurcht, und an seinem Hals hing die Haut schlaff herunter, über den geschwollenen Fingerknöcheln hingegen war sie straff gespannt. Die Augenlider waren schwer, konnten seinen durchdringenden Blick jedoch nicht verbergen.
Trotz seines Äußeren war Simonds nicht der älteste Mensch, dem Michael je begegnet war – bei weitem nicht, denn die Wahren Gläubigen hatten entschieden, dass der Gebrauch von Prolong dem Herrn ein Gräuel sein müsse –, und daher war Simonds vermutlich jünger als viele von Michaels Ausbildern auf Saganami Island. Im Gegensatz zu ihnen war Simonds jedoch ohne die Verlangsamung gealtert, die selbst die Empfänger der ersten Generation erwarten durften.
Zum ersten Mal in seinem Leben bemerkte Michael, dass die äußeren Zeichen hohen Alters eine eigenartige Wirkung ausübten. Die zahllosen tiefen Linien in Simonds' runzeligem Gesicht bezeugten nicht nur die Jahre, die er erlebt hatte, sie erweckten auch den Eindruck, dass er in seinem langen Leben doch einige Weisheit erlangt haben müsste. Für Michael war es eine interessante Lektion, und er begriff plötzlich, weshalb Quentin Cayen sich das Haar färbte, um den Eindruck zu erwecken, dass es schon grau wurde: Cayen wusste, dass die Masadaner die Zeichen des Alters
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