Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
sorgfältig durchdacht war, konnte der Exodus tatsächlich gelingen.
Obwohl die Schwestern versucht gewesen waren, die Flucht unter dem freundlichen Deckmantel der Nacht zu beginnen, hatte Dinah dagegen ihr Veto eingelegt. Die Wahren Gläubigen hielten nichts von frivoler Unterhaltung, und wenn nicht gerade ein größeres religiöses Fest im Gange war, wurde es nach Ende des Geschäftstages auf den Straßen sehr ruhig. Aus diesem Grunde wäre es für die Schwestern sehr schwierig gewesen, ihre Häuser unauffällig zu verlassen, und außerdem führten die Moralhüter nach Einbruch der Nacht stichprobenartig Kontrollen durch.
Aus diesem Grund überquerten Judith, Mahalia und Rena das eisige Gelände vor dem Geschäftsgelände der Templetons unter einer Sonne, die mit gnadenloser Helle strahlte, ohne tröstende Wärme zu spenden.
Der Shuttle Blume stand zum Schutz vor Schnee und Eis in einem Hangar, der geräumig genug war, um das Verladen von Fracht zu erlauben. In einem Anbau stand die Blüte , ein Kutter, der sich mehr zum Personentransport eignete und für den Verkehr zwischen den Schiffen benutzt wurde.
Die Blüte wäre die erste Wahl der Schwestern gewesen, denn als Personenshuttle war sie kleiner und leichter zu manövrieren, doch nicht einmal ihr Frachtraum bot allen Mitgliedern des Schwesternbundes genügend Platz. Selbst in dem schweren Frachtshuttle wurde es eng. Ohne es je ausgesprochen zu haben, befürchtete Judith, dass sie den Shuttle nicht würde starten können, wenn es wirklich alle Schwestern an Bord schafften.
Nicht, sagte sie sich grimmig, dass alle Schwestern unbeschadet den Hangar erreichen würden.
Niemand hielt sie auf, als sie den Hangar betraten. Ephraim, der eifersüchtig bedacht war, den Reichtum in der Familie zu halten, beschäftigte seine Söhne als Arbeiter und Besatzungsmitglieder, die er nicht zu bezahlen brauchte. Sein Wunsch, mit einem beeindruckenden Gefolge auf dem Konklave zu erscheinen, hatte zur Folge, dass ihn alle seine Söhne bis auf die, die in seiner Gunst ganz unten standen, begleiteten; aus diesem Grunde waren die Angestellten, die nicht zur Familie gehörten, mit ungewohnten Pflichten überlastet – und Dinah hatte versprochen, dass diese unglücklichen Seelen durch verschiedene kleine Katastrophen stark abgelenkt sein würden.
»Zuerst«, sagte Judith mit sehr leiser Stimme, »die Blume .«
Mahalia und Rena nickten. Judith fand, dass Mahalia ein wenig blass wirkte, und sie wusste auch nicht zu sagen, ob das fanatische Licht, das aus Renas Augen funkelte, ein wirklich gutes Zeichen sei. Dann erhaschte sie auf einem hochglanzpolierten Rumpfblech ihr eigenes Spiegelbild. Sie wirkte starr vor Angst.
Sie grinste das furchterfüllte junge Gesicht an, und ihre Ängste verschwanden. Das hier war noch der leichte Teil.
Der Zugangskode, der die Luke der Blume öffnete, wurde jeden Sabbat geändert, doch Judith war es nicht schwer gefallen, den neuen zu erfahren. Sobald Ephraim den Besatzungsmitgliedern, die eventuell den Shuttle betreten mussten, den neuen Kode zusandte, erhielt, ohne dass er es ahnte, auch Judith eine Kopie.
Hier, wo Ephraim sich sicher fühlte, gab es keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen. Kaum hatte Judith ›Ich habe gefunden, dass Gott den Menschen hat aufrichtig gemacht; aber sie suchen viele Künste‹ eingegeben, glitt die Luke auf und ließ sie in eine weite Halle ein, die nur von den Notlichtern erhellt wurde.
Ohne weitere Diskussion trennten sie sich: Mahalia ging in den kleinen Maschinenleitstand, Rena in den Frachtraum, und Judith ins Cockpit.
Sie führte einen Standardcheck der Systeme durch und versuchte sich zu beruhigen, indem sie sich einredete, es sei nur eine weitere Übung, als Mahalia sie auf einem der kleinen Richtstrahlfunkgeräte anrief, die Dinah irgendwie für alle Schlüsselfiguren des Exodus beschafft hatte.
»Hier spricht Isaac. Die Maschinen laufen warm«, meldete Mahalia mit sehr gepresster Stimme.
»Gut. Wir treffen uns in fünf Minuten an der Luke«, antwortete Judith. »So lange brauche ich noch zum Check. Ich rufe Abraham, dass er die Fracht zum Beladen fertig macht.«
Dinah hatte darauf bestanden, dass sie Decknamen benutzten, sollte der Teufel es wollen, dass ihre Gespräche zufällig aufgefangen wurden. Judith war Moses, Dinah war Abraham, Mahalia war Isaac, und so weiter. Als weitere Vorsichtsmaßnahme wandelten die Funkgeräte ihre Stimmen in fremde Stimmen um – und zwar ausschließlich in
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