Honor Harrington 17. Um jeden Preis
gelangten. Die ersten Neuerungen im Bildungswesen hatte er noch am eigenen Leib erfahren und anhand seiner jüngeren Geschwister die viel größeren Veränderungen beobachtet, als sie in die Schule kamen. Er hatte die Wiedereinsetzung der Verfassung erlebt, der Konzepte von Eigenverantwortung und persönlicher Freiheit.
Er war zu jung gewesen, um im Ersten Manticorekrieg zu kämpfen, und er wusste, dass seine Eltern lieber gesehen hätten, wenn er Zivilist geblieben wäre. Doch für all die Veränderungen hatte er eine Schuld abzutragen, und als die Kampfhandlungen wieder ausbrachen, hatte er sich zu den Republican Marines gemeldet.
Aus beruflichen Gründen – er war ausgebildeter Werftarbeiter – berief man ihn verzögert ein, doch am Vortag war sein Gestellungsbefehl in seiner bescheidenen kleinen Wohnung eingetroffen.
Er konnte nicht behaupten, dass die Aussicht ihm keine Sorgen machte. Er sorgte sich. Er war schließlich kein Idiot. Aber er bedauerte nichts. Fast den ganzen vergangenen Tag hatte er mit seiner Familie verbracht, und heute war die ›Abschiedsparty‹ gewesen, die seine Freunde und seine Kollegen von der Werft für ihn gegeben hatten. Der Alkohol war in Strömen geflossen, es wurde viel gelacht und ein bisschen geweint, aber niemand war wirklich überrascht gewesen. Und da er sich am nächsten Tag zum Dienst melden musste, hatte er beschlossen, früh zu gehen und sich nach der Geselligkeit so weit auszuschlafen, wie es ging.
»Bist du sicher, dass du fahren kannst, Axel?«, fragte Angelo Goldbach, als sie durchs Parkhaus gingen.
»Na klar«, entgegnete Axel. »Ich hab es sowieso nicht weit.«
»Ich könnte dich nach Hause fahren«, erbot sich Angelo.
»Blödsinn. Mir geht es gut, glaub mir. Außerdem würden wir dann sowieso bis in die Nacht zusammensitzen und trinken, und ich brauche den Schlaf. Und Georgina würde mich zur Schnecke machen, wenn ich dich wieder den ganzen Abend mit Beschlag belege.«
»Wenn du dir so sicher bist«, sagte Angelo.
Sie erreichten Angelos Parkbox. Er sah seinen Freund einen Augenblick an, dann nahm er ihn rasch und rau in die Arme.
»Pass auf dich auf, Axel«, sagte er, trat zurück und schüttelte Lacroix leicht an den Schultern.
»Verlass dich drauf«, entgegnete Lacroix unbekümmert, von Goldbachs Gefühlsbekundung ein wenig peinlich berührt. Er schlug den Freund auf den Oberarm, sah zu, wie Goldbach in seinen Wagen stieg und aus der Parkbox startete, dann ging er zu seinem eigenen Fahrzeug.
Der Sportflugwagen war nicht neu, aber persönliche Fahrzeuge gleich welcher Art waren noch immer relativ selten, besonders in der Hauptstadt, wo die meisten Leute die öffentlichen Verkehrsmittel benutzten. Für Lacroix jedoch hatte der leicht ramponierte, flotte kleine Sportwagen immer ein Symbol für seinen Erfolg und den seiner Familie bei dem Versuch bedeutet, mehr zu sein als ein Clan von Dolistendrohnen unter vielen. Außerdem – er grinste, als er die Tür aufschloss und sich auf den Fahrersitz setzte – war der Wagen zwar alt, aber noch immer schnell und wendig; ihn zu lenken war ein einziges Vergnügen.
»Noch fünf Minuten, Minister Giancola.«
»Danke«, bestätigte Arnold Giancola die Ankündigung Giuseppe Lauders und begann, sein Dokumentensichtgerät und die Stapel von Speicherchips in seine Aktentasche zu schieben.
»Tja, Jason«, sagte er lächelnd, »wir werden das Geheimnis wahrscheinlich schon bald lüften. Und unter uns gesagt –«
» Zehn Uhr! «
Bei Lauders Aufschrei riss Giancola den Kopf hoch. Die Limousine wurde heftig herumgerissen und zog stark nach rechts, und der Außenminister drehte den Kopf nach links.
Er sah den Sportflugwagen gerade noch.
»Mit Ihrer Erlaubnis, Madame Präsidentin, lasse ich Admiral Lewis mit der Sitzung beginnen«, sagte Kriegsminister Thomas Theisman.
Eloise Pritchart sah ihn an, dann die beiden leeren Stühle am Konferenztisch.
»Mir ist klar, dass die Lage ernst ist«, sagte sie, »aber ich glaube, wir könnten dem Außenminister noch ein paar Minuten lassen.«
Ihrer Stimme ließ sich vielleicht eine winzige Spur von Tadel anmerken, aber aufgefallen wäre sie nur jemandem, der sie sehr gut kannte. Theisman, auf den das zutraf, neigte zustimmend ganz leicht den Kopf. Ein oder zwei Personen am Tisch schienen einige Schwierigkeiten zu haben, ein Grinsen zu unterdrücken, während sie das Nebenspiel beobachteten. Die Technologieministerin Henrietta Barloi, im Kabinett
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