Honor Harrington 17. Um jeden Preis
eine von Giancolas standhaftesten Verbündeten, gehörte nicht dazu.
»Dieser Meinung bin ich auch, Madame Präsidentin«, sagte sie frostig. »Ich würde sogar –«
»Verzeihung, Ma'am.«
Pritchart wandte den Kopf, die Brauen hochgezogen in gelindem Erstaunen über die Unterbrechung. Sheila Thiessen, die Leiterin ihrer Leibwache, war eine Altmeisterin der Kunst, bei vertraulichen Gesprächen auf höchster Ebene vollkommen unauffällig anwesend zu sein. Normalerweise bewies sie stets ein beträchtliches Maß an Selbstbeherrschung – nach Kevin Ushers Worten hatte sie ein ›Pokerface‹ –, und ihre momentan überwältigte Miene wirkte darum fast beängstigend.
»Ja, Sheila?« Pritchart klang schärfer als gewöhnlich, schärfer als beabsichtigt. »Was ist denn?«
»Es hat einen Unfall gegeben, Madame Präsidentin. Minister Giancolas Limousine ist in einen Zusammenstoß in der Luft verwickelt.«
» Was? « Pritchart starrte Thiessen an. Einen Augenblick lang schien der Schock ihre Stimmbänder zu lähmen, dann erlangte sie ihre Fassung wieder. »Wie schlimm ist es? Ist der Minister verletzt worden?«
»Ich … habe noch keine Einzelheiten«, antwortete Thiessen und fuhr sich mit der Fingerspitze über den unauffälligen Ohrhörer, um sie auf die Quelle ihres Wissens hinzuweisen. »Aber es klingt nicht gut.« Sie räusperte sich. »Nach ersten Erkenntnissen scheint es keine Überlebenden zu geben, Ma'am.«
»Himmel. Das kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen.«
Thomas Theisman lehnte sich in seinen Sessel zurück und rieb sich mit den Handballen die Augen. Die Krisensitzung war hastig vertagt worden, während die Präsidentin sich mit der bestürzenden Neuigkeit auseinandersetzte, dass ihr Außenminister und sein Bruder tot waren. Theisman konnte ihr diese Priorität nicht verdenken, schon gar nicht im Lichte der unvermeidlichen Verzögerungen bei der Übermittlung von Nachrichten über interstellare Entfernungen. Der Anlass der Sitzung war schließlich nicht so zeitkritisch wie die unmittelbaren Konsequenzen dessen, was eine grundlegende Verschiebung der innenpolitischen Konstellation der Republik zu werden versprach.
Nachdem nun jeder, der informiert werden musste, unterrichtet worden war und Pritchart ihre offizielle Erklärung abgegeben hatte (in der sie pflichtgetreu ihr tiefes Bedauern über das unerwartete Ableben ihres geschätzten Kollegen und langjährigen Freundes bekundete), waren die Präsidentin und ihre engsten Berater und Vertrauten – Theisman, Denis LePic, Rachel Hanriot, Kevin Usher und Wilhelm Trajan – ins Oktagon gekommen und hatten sich im Büro des Kriegsministers versammelt.
»Na, das konnten wir in mehr Hinsichten nicht brauchen, als du ahnst, Tom«, sagte Pritchart müde. Die letzten drei Stunden waren ein hektischer Wirbel gewesen, und sogar sie wirkte ein wenig erschöpft.
»Besonders bei den Neuigkeiten von den manticoranischen Raids«, warf Hanriot säuerlich ein. »Wie heißt es so schön: Ein Unglück kommt selten allein?«
»Die öffentliche Meinung wird die Nachricht, dass die Mantys uns eins auf die Nase gegeben haben, nicht gerade begeistert auffassen«, stimmte Theisman ihr zu. »Andererseits ist es möglich, dass das, was Giancola passiert ist, die Reporter ein wenig ablenkt. Und seien wir doch ganz ehrlich – von uns hier wird den Kerl keiner vermissen.«
»Du könntest überrascht sein«, sagte Pritchart düster, und Theisman sah sie stirnrunzelnd an.
»Wie meinst du das, Eloise? Du klingst schon den ganzen Abend so geheimnisvoll.«
»Ich weiß. Ich weiß!«
Die Präsidentin schüttelte den Kopf. Statt augenblicklich zu erklären, was sie sagen wollte, blickte sie Usher an.
»Hast du schon von Abrioux gehört, Kevin?«
»Ja, habe ich.« Usher sprach mit tieferer Stimme als sonst. »Vorläufig deutet alles darauf hin, dass es ein echter Unfall war.«
Theisman blickte zwischen der Präsidentin und dem Direktor der FIA hin und her.
»Und warum sollte es kein ›echter‹ Unfall gewesen sein?«, fragte er. »Ich gebe ja zu, ich habe den Kerl verabscheut, aber deshalb habe ich ihn noch lange nicht beseitigen lassen.«
Niemand lächelte, und sein Stirnrunzeln wurde noch stärker.
»Wie ist es passiert?«, fragte Pritchart Usher. »Ich meine, ein Verkehrsunfall keine fünf Minuten vom Oktagon!«
»Nach den ersten Untersuchungen übertraf der andere Fahrer – ein gewisser Axel Lacroix – das gesetzliche Limit für Blutalkohol bei
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